Inhalt der Printausgabe
Januar 2004
Olaf Scholz Ein Mann wie seine Partei (Seite 2 von 3) |
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In seiner Zeit als Anwalt kämpft Scholz vor allem gegen "die da oben", also die Kollegen in der Kanzlei, die ihn vornehmlich mit Bodenfegen und Parkettbohnern beschäftigen. Kein Wunder, daß er seine Zeit lieber in der Gesellschaft nörgelnder Mitläufer aus der geistigen Unterschicht verbringt - die SPD wird ihm zur zweiten Heimat. Hier kann er seine (wenigen) Talente entfalten: Gerechtigkeit einklagen, umständliche Plädoyers halten, Revisionismus-Verfahren in Gang -setzen, und wenn alle vor lauter Kopfweh eingeschlafen sind, sich selbst loben, da es ja sonst keiner tut. Mit dieser Methode bringt er es zum Bundestagsabgeordneten, zum Landesvorsitzenden der Partei - und wegen seiner Leidenschaft für Innenarchitektur und Gebäudereinigung sogar für ein paar Monate zum Innensenator bzw., wie man in Hamburg sagt, Binnensenator. Daß er jüngst auf dem SPD-Parteitag nur ein paar Stimmen an seiner Abwahl vorbeischrammte, scheint ihn kaum noch zu stören: "Man muß das auch mal positiv sehen. Ein Tag ohne Lachen ist ein verlorener Tag, und wenn ich jetzt bei Christiansen mit den Kollegen aus den anderen Parteien diskutiere, lachen die immer schon, bevor ich was gesagt habe." | ||
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Daher überrascht kaum, daß der Generalsekretär auch im Willy-Brandt-Haus einen viel besseren Stand hat als gemeinhin angenommen. Sobald die Rede auf den Chef kommt, leuchten die Gesichter seiner Mitarbeiter, und sie erzählen begeistert drauflos: wie sie Scholz die Schnürsenkel zusammenbinden, wie sie Wassereimer oben auf seine Büro-tür stellen und vor Pressekonferenzen Pupskissen auf seinen Stuhl legen. Auch Ehefrau Britta, stellvertretende Fraktionsvorsitzende in der Hamburger Bürgerschaft, kann kein schlechtes Haar an ihrem Gatten finden: "Es ist mehr dieses gesamte fusselige Wollensemble oben auf seinem Kopf, das mich stört." Ihr erstes Treffen mit Olaf Scholz wurde damals von der SPD-Fraktion im Vermittlungsausschuß eingefädelt. "Es war so romantisch", schwärmt sie. "Wir standen an der Elbchaussee, Fischgeruch wehte herüber. Als ich Olaf mit meinem Ellenbogen anstupste, wurde er verlegen und schloß schnell seinen Hosenlatz." Gern erzählt sie auch von kuscheligen Abenden am Kaminfeuer, während ihr Mann draußen im Regen gegen die Terrassentür trommelt. Im Keller der Parteizentrale in Berlin kettet Olaf Scholz derweil seine Schreibmaschine an der Heizung fest, damit er morgen nicht schon wieder eine neues Büro beziehen muß. "Ich habe gelernt, daß in meiner Partei Geschlossenheit sehr wichtig ist", sagt er verlegen und schließt schnell seinen Hosenlatz. Und dann muß er auch schon weg, weil er noch ein paar dringende Termine hat: Müntefering muß die Nasenhaare geschnitten kriegen, Schröder bekommt die Rückenhaare gekämmt, und Andrea Nahles müßte auch mal wieder durchgebürstet werden. "Ein Letztes noch, bevor Sie gehen." Er schaut uns bedeutungsvoll an, die spärliche Wolle auf seinem Kopf vibriert: "Die Menschen sind bereit, Veränderungen zu akzeptieren. Aber sie wollen nicht alleine gelassen werden, jedenfalls nicht mit mir." Wo er recht hat, hat er eben recht. Typisch Scholz! Mark-Stefan Tietze
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