Inhalt der Printausgabe

Januar 2004


Humorkritik
(Seite 7 von 7)

Dummbilanz 2003

Vor einem Jahr war's, da ging es sogar gerichtlich um Schröders authentische Haarfarbe und außergerichtlich um Schröders angebliche Neue bzw. andersherum um der verdächtigten Doris Treue zu Schröder, dann beruhigte sich alles wieder ziemlich, gottlob, weil jetzt ging es plötzlich um was fast noch Wichtigeres: "Mahnende Künstler" wie z.B., eine sehr neuartige Besetzung, "Grass, Westernhagen und Loriot sind gegen den Krieg" (dpa 27.2.03), gegen welchen wissen wir jetzt nicht mehr so genau - andererseits, nicht alle Künstler sind es, sondern (dpa 27.3.03) zumindest Wolf Biermann ist dafür bzw. er befürchtet nämlich sonst ein "Volk von Hurra-Pazifisten" voll der "wohlfeilen Wut auf Amerika"; schon die Woche drauf bittet Jockel Fischer um Gehör für seinen Vermittlungsvorschlag, indem er nämlich den aktuellen als einen "Abrüstungskrieg" deklariert, also als einen durchaus dignum-et-justummäßigen; womit der irgendwie noch immer amtierende Außenminister sich, noch ehe er die Ehe Nr. 5 ansteuert, auch als Wortschöpfer der ersten Güte in Erinnerung bringt.
Dem neuen Konrad Adenauer-Preisträger und Christus-Bedichter Patrick Roth (bisher Suhrkamp-Kultur) allerdings ist all das Jacke wie Hose, er kennt auch den Adenauer nicht mal mehr dem Namen nach, seinem "Koofmichgehirn" (K. Kraus) kann es ja auch wurscht sein, woher die ganzen schönen 15000 Euro kommen, und außerdem haben vor ihm Kirsch, Kempowski und de Bruyn den zählebigen Ziesel-Zaster ja klaglos auch genommen.
Den direkteren Weg geht jetzt die 14jährige Französin Flavia Bujor und macht "als Schülerin wie jede andere" (Bujor) mit ihrem Debütroman "Das Orakel von Oonagh" und einer Startauflage von 60000 ihre Kohle - hier fällt die Torheit auf ihren deutschen List Verlag zurück, der seinerseits die Trophäe an jenes deutsche Volk weiterreicht, welches ein paar Monde später auch die Jungautoren Bohlen, Naddel und Boris glücklich macht; und dem, im Verein mit Friedman, der Stern aber bereits am 26.6. die Gretchenfrage stellt: "Was darf sich ein Moralist leisten?" Die Frage freilich, wer den, den Friedman also, eigentlich zum "Moralisten" ernannt hat, wenn nicht vor allem der dumme Stern selber, die Frage wird von keinem mehr gestellt, höchstens vom Ausland, nämlich mit aber schon gar zu leiser Stimme von der Neuen Zürcher.
Wieder anders als die neue Grünen-Spitzenpolitikerin im Frankfurter Römer Ann Anders hört die Autorin von "Im Zwischenreich der Bilder" tatsächlich auf den Namen Gerlinde Strohmaier-Wiederanders, sie drischt auch keineswegs Stroh, sondern mit der genannten "Schrift der Evangelischen Forschungsakademie NF" auf uns ein, und auf die schönsten Frauennamen des Jahres kommen wir aber gleich zurück. Vorher jedoch teilen wir noch mit, daß Frau Jutta Scherrer nach dem geglückten Aufmarsch von u.E. inzwischen 1034 Einzelkulturen gerade noch rechtzeitig und zugunsten des Wallstein Verlags Göttingen die Wissenschaft der "Kulturologie" entdeckt oder erfunden oder was immer hat - dagegen wollte (SZ 11.7.) Florian Gerster von der Nürnberger Arbeitsanstalt bloß eine "neue Kultur", nämlich 400 neue Jobs, also praktisch eine neue Jobkultur. Im November dann vornehmlich zugunsten der Medienberatungsfirma EuroCom/Hertha BSC und für 1,3 Mio Euro.
Die neueste Suhrkamp-Kultur noch über P. Roth hinaus geht ein Jahr nach Unselds Tod und zwei Jahre nach Reinhold Messners Einstand als Suhrkamp-Philosophie-Autor jetzt auf Gerhard Schröder und Wolfgang ("Entfeindungskultur") Thierse zurück, die beide, fotografisch flankiert auch noch von Chirac, dem "Manifest für eine neue Weltordnung", hrsg. von W. Thierse, voranmarschieren. Messner hat sich deshalb rechtzeitig von Suhrkamp abgeseilt und tritt zusammen mit dem Dichter Chr. Ransmayr für den Farbprospekt der Zeit-Reisen-Sondertour ins "Franz Josef Land" an - bleibt für den Fast-Kanzler und immer noch geschworenen Kanzler-Widersacher E. Stoiber nur noch, sich als Aphoristiker zu versuchen, aber als Apoplektiker zu landen: "Schröder löst keine Probleme, er ist das Problem in Deutschland" (am 19.10. in Cottbus).
Zu Adornos 100. Geburtstag den unveräußerlich größtmöglichen Stuß liest man bereist am 30.7. in der FAZ: "Jeglicher Seele verbaute er objektiv jegliches Hintertürchen" - im Gegensatz dazu bewährt sich im Zuge des offenbar sogar generations-, ja epocherelevanten Sammelbands "Annika - 33 Erzählungen deutscher Autoren" der vorabdruckenden Zeitschrift Amica abermals als Depp vom Dienst Maxim Biller, indem er als unverkennbarer Maxim Biller mit einem jüdischen Journalisten ins Bett geht und werweiß von uns dafür den angeekelten Kotzschrei "Schwule Sau!" zu hören kriegen möchte, er hört aber nur "brav, sehr brav!".
Zumal, wie dann mitten im Hochsommer herauskommt, der Prof. J. Immendorff zusammen mit mitgezählten neun Nutten im Bett des Steigenberger Hotels war, dafür die rasante Begründung vortrug, er habe halt wieder mal seinen "Orientalismus ausleben" müssen; und trotzdem jetzt seine Düsseldorfer Kunstprofessur einbüßt, die den ganzen schönen Quatsch bisher anstandslos finanziert hat; weil nämlich bei dem Steigenberger Getümmel rund um den 58jährigen Jungen Wilden außer seiner Ehefrau Oda auch noch Koks irgendwie im Spiel war.
"Nichts als Gespenster" erkennt vor all solchen sozialen Hintergründen Jungerfolgsautorin Judith Hermann und läßt eben deshalb im neuen Epos Ruth sich in Raoul verlieben, der indessen ihrer besten Freundin Rammelofferten macht, während sich gleichzeitig Jonina (!) in Jonas verknallt und dafür sogar Magnus verläßt. Zu Recht schreibt der den ganzen Rumpelramsch verantwortende S. Fischer Verlag der sehr späten Th. Mann-Nachfolge in die Reklame freilich eines anderen Buchs: "Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen" - nur schreibt er den Schöpfer dieses in der Tat erhellenden Zitats mit "Karl Krauss" halt leider wieder falsch; das ist freilich auch dem Spiegel schon mehrfach passiert und zu Kraus' Lebzeiten auch schon manchem Krauss' Krausheit kritisierenden Krautundrübenblödblatt aus Berlin.
Im November legt das ZDF noch einen Zahn an Fungesellschaft der Gegenwartskultur zu und läßt das Volk unter Nietzsche, Adenauer, Adorno, D. Küblböck, Einstein, Heidi Klum und Bismarck den "größten Deutschen aller Zeiten" ermitteln, leider ist das Volk wieder mal so starr und einfallslos, mal wieder Adenauer vor Immendorff und Biller und sogar O. Kahn zu plazieren. Den jetzt bald scheidenden Präsidenten Rau beflügelt die Hoffnung auf mehr Freizeit jetzt schon immerhin derart, daß er diese und verwandte Umfragen sogar beinahe korrekt einstuft: "Wer so was macht, tickt nicht richtig. Das sage ich von Platz 38" jenen, die, wohl doch zu Raus Erbitternis, Jesus auf Platz 10, G. Jauch aber nur auf Platz 11 landen ließen.
Ein weiteres "spektakuläres Brimborium" (Heino Jaeger) ereignet sich, den meisten von uns Gestörten vielleicht sogar trotzdem noch erinnerlich, im November, als die Entscheidung der CDU, sich von ihrem Abgeordneten Martin Hohmann wg. Antisemitismus zu trennen, nicht nur bei eben dieser CDU, sondern gleichfalls "bei der CSU, der SPD, der FDP und den Grünen auf Erleichterung stieß" (BR 11.11.) - im gleichen starkdemokratischen Sender hatte man freilich zwei Tage vorher im Bericht über die feierliche Einweihung des Münchner jüdischen Zentrums die Zahl der in der Folge der Pogromnacht 1938 ermordeten Juden mit "Tausenden" börsennotiert; auch wenn es in Wahrheit lt. Ploetz 91 waren.
Eigentlich hätten jene vorbildlich, ja generös Korrekten auch den Kardinal Joachim Meisner der insgeheim antisemitischen Auschwitzverhöhnung zeihen müssen, weil der nämlich im Spätherbst über die neue europäische Werteordnung sich mit der Frage vernehmen ließ: "Kann der europäische Mensch aus eigener Kraft all die Gifte ausschwitzen", die nach Meisners Meinung in dieser Reihenfolge sind: Drogen, Terrorismus, Wissenschaftsgläubigkeit. Allein, nachdem der FDP-Fraktionsvize Werner Hoyer Meisner daraufhin "menschenverachtende Sprache" vorhielt, steht es doof zu doof wieder pari gleichauf, und der Preis für Menschenverachtung geht vielmehr an einen Hinterhaltssieger, an den Kanzler Schröder, der nämlich im Juni in einem unbewachten Moment seinen Hannoverschen Amtsnachfolger Sigmar Gabriel zum "Beauftragten für Popkultur und Popdiskurs" ernannte.
Die vorne schon gefeierte Gerlinde Strohmaier-Wiederanders ihrerseits sollte gleichfalls in der Disziplin männerverachtendes Frauendoppelmoppel eine noch Größere vorgesetzt bekommen. Nein, es ist dies nicht die österreichische Richterin Barbara Hofer-Zeni-Rennhofer, in Österreich ist so ein Renner ja fast alltäglich. Nicht ganz geschafft hat es auch die Frankfurter Apothekeninhaberin Ingolde Schluckebier-Schuster - nein, die "Höhe des Wortunfugs" (K. Valentin) plaziert i.J. 2003 vielmehr ein Frauentandem, das schon um 1999 im Zuge der Wuppertaler Großkorruptionssache eindrucksvoll auf-, mir aber erst jetzt über eine Zusammenfassung in die Finger gefallen ist: Es handelt sich um die dortigen beiden SPD-Damen Vera Dedanwala (Vorsitzende) und Barbara Dudda-Dillbohner (Schatzmeisterin), die wohl zumindest zusammen auf Jahre hinaus konkurrenzlos sind. Und wenn die beiden Schätzchen jetzt auch noch heirateten, dann käme nach den neuen Ehegesetzen und um Loriot zum 80. noch eine letzte kleine Freude zu machen vielleicht sogar eine nun wirklich dadaistische Doris Dudda-Dillbohrer-Diddensack dadabei raus, du!


   1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg