Inhalt der Printausgabe

Januar 2004


Aus der Serie "Kommunisten helfen Wirtschaftsführern"
Goethe und sein Ackermann
(Seite 2 von 5)

Kurzerhand gründen wir eine studentische Arbeitsgemeinschaft "Free Ackermann!", um mal wieder arglosen Leuten ausgefuchste Fragen zu stellen, und zwar möglichst bei Regen und Kälte. Mit den bewährten Spaßaccessoires ausgerüstet (Fragebogen, Tisch, Hose) schlendern wir auf den verregneten Campus der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität, um das gelangweilte Langzeitstudentenpack, das ja auch sonst für jeden Radau zu haben ist und gerade wieder mal "gegen Studiengebühren" streikt, für die Befreiung des politischen Gefangenen Josef Ackermann zu mobilisieren, der, wie wir gewieft daherlügen, "seit heute morgen in Untersuchungshaft sitzt". Was die zwei irgendwie indisch aus-se-henden Studenten, die karmatös herantapern und sich von uns einfangen lassen, noch gar nicht wußten; anstatt sich für ihre Ignoranz zu schämen, stoßen sie sich aber lieber an dem von unserem Plakat herablächelnden Ackermann: "Warum lacht der denn?" Es sei, so wir, halt eine Fotomon-tage. "Aber deswegen muß er ja nicht lachen." Nun ja, ein Layoutfehler, gestehen wir kleinlaut. Die beiden fanatischen Mensagänger werfen einen Blick auf das Nelson Mandela-Plakat, das wir zusammen mit einem Abu Jamal-Poster zur Illustration der Knast-/Befreiungsproblematik mitgebracht haben: "Aha, Gleichsetzung von Mandela und Ackermann!" erkennt einer der Campus-Gandhis wie aus der Wasserpistole geflossen. "Das scheint mir aber ironisch zu sein, das ist doch nicht ernstgemeint! Haha!" Sein Begleiter schweigt weiter eisern, aber zu retten ist hier ja sowieso nichts mehr.
 
Schulterschluß zweier Studenteninitiativen

Zum Glück ist Aktionsmaskottchen und Ordoliberale Glockenhell erfolgreicher: "Gewiß seid auch ihr für die Befreiung Ackermanns, oder?" Die blutjungen Pädagogikstudenten, die so aussehen, als müßten sie Malte und Noemi heißen, staunen nicht schlecht, als sie das gefragt werden - schließlich wußten sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, daß ein Herr Ackermann überhaupt existiert. Nach kurzer, unerwartet polemischer Diskussion ("Wie?") erklären sie sich aber doch bereit, unsere Fragen zu beantworten, "aber nur wenn's schnell geht. Wir wollten eigentlich schön kiffen gehen", Unsinn: "Kaffee trinken". Und so schnell, wie Glockenhell fragt ("Was bedeutet Ackermann für dich?"), so schnell haut die abgebrühte Next Generation ihr die Antworten um die Ohren: "Gar nix."
Nicht weniger trocken fällt die Replik auf die von uns im Fragebogen vorgeschlagene "Immunität von Wirtschaftsmanagern" aus: "Haha!" lacht der wilde Malte gurgelnd. "Niemals! Überbezahlt, kein Risiko, sonst noch was? Vielleicht Unsterblichkeit?" Malte hat Noemi, auf die er offenbar scharf ist, zum Lachen gebracht, die Stimmung lockert sich zusehends, und so fällt die Antwort auf die Frage "Welche Strafe hältst du für die Veruntreuung von ca. 57 Mio. Euro für gerechtfertigt?" erwartungsgemäß lässig aus: "Naja, so fünf bis zehn Jahre locker", improvisiert Noemi ahnungsfrei, korrigiert sich aber, als sie Maltes strengen Blick bemerkt: "Ok, zehn Jahre", ihr offenbar letztes Wort. Malte gibt transferleistungsstark zu bedenken, daß von dem Geld immerhin sämtliche Studiengebühren aller Studenten auf einen Schlag bezahlt werden könnten! Da wundert es nicht, daß die beiden Gerechtigkeitsfreaks unsere Frage "Nach den Erfahrungen der Frankfurter Polizei mit Kindesentführern: Soll Ackermann gefoltert werden dürfen, damit er verrät, wo er die 57 Mio. Euro versteckt hat?" dahingehend beantworten, daß sie, weil's nun mal um Kohle geht, durchaus für Folter sind, wenn auch "wirklich nur ganz leicht". Und Pädo-Malte holt mit der sensiblen Einschränkung: "Und wenn, dann Psychoterror, mit seinen Kindern und so" weitere wertvolle Punkte bei der sichtlich gewaltaffinen Noemi, die nach dem Kaffee wahrscheinlich grün und blau genagelt wird.
 

Wer denn "wieder mal der Dumme im Fall Ackermann" sei, fragt Glockenhell die zwei People of Tomorrow auftragsgemäß zum Schluß: "Na, die Dummen im Fall Ackermann sind doch wieder mal wir!" Und natürlich nicht nur da.
Aktionsaufsichtsrat Sonneborn hat derweil zwei junge Studentinnen und einen bestimmt dreißigjährigen Langzeitstreber mit Doofibart am Wickel. Ob sie eine Soli-Postkarte schreiben wollen? "Nein", entgegnet der bärtige Nichtsnutz, "wir wollen nicht."

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt