Inhalt der Printausgabe

Februar 2004


Das unredigierte Interview
"Ein Karussell ist ein Gerät, das sich dreht..."
(Seite 3 von 4)

TITANIC Was schätzt du, wie viele Glühbirnen bei diesem Space Roller verbraucht wurden?
Octo Das ist eigentlich nicht zu schätzen. Also, es sind wahrscheinlich Tausende.
TITANIC Octo, wie findest du das Musikprogramm?
Octo (stöhnt) Ja, das Musikprogramm! Da erinnere ich mich an eine alte Werbung der Firma Blaupunkt für Autoradios. Ungefähr zwanzig Jahre ist das her, das war zu einer Zeit, als man das Radio noch separat gekauft hat. Und da hat Blaupunkt mal Werbung gemacht mit dem Spruch "Wenn Sie zwei Sender gleichzeitig hören, ist das noch lange nicht Stereo". Das trifft leider auf Festen auch zu. Gegenüberliegende Karussells, die beschallen sich gegenseitig. Man hört dann verschiedene Musiktitel, hat keinen Genuß mehr. Es wäre sinnvoll, wenn man alle Karusselle auf einem Volksfest akustisch zusammenschalten könnte, so daß die Musik immer die gleiche ist, die Ansagen könnten ja immer noch unterschiedlich sein.
TITANIC Was kannst du zu dem komischen Ding da hinten sagen?
Octo Das Revolution? Das ist ein Erfolgsmodell der Firma Huss. Das ist Anfang der 90er Jahre gebaut worden erstmals, und es ist wohl in vielen Dutzenden Ausführungen auf der ganzen Welt verteilt. Es beruht auf der Überlagerung zweier Vertikalrotationen, eine davon aktiv, die andere passiv. Die passive Rotation kann mit einer Bremse beeinflußt und gestoppt werden, und hier wird der Effekt ausgenutzt, daß die passive Rotation zu Schwingungen führt, und diese werden dann durch die aktive Hauptrotation angeregt und verstärkt.
TITANIC (interessiert) Und hinterher muß man kotzen?
Octo Nein, muß man gar nicht unbedingt. Es ist so, daß es natürlich zu den Fahrgeschäften gehört, daß sie sich sehr stark auch auf den Magen auswirken, aber es ist letztlich schon verträglich.

 
Das alte Frage- und Antwortspiel

Auf dem Weg zum Erfolgsmodell der Firma Huss passieren wir ein nostalgisches kleines Kinderkarussell.

TITANIC Ist das besser als das Pferdekarussell von vorhin?
Octo Dieses Karussell ist schon ein bißchen dynamischer. Es ist nicht so nostalgisch, es bildet im Grunde die großen Karusselle nach. Man hat da die Dekoration und den Stil eines großen Karussells, dagegen bei dem nostalgischen Pferdekarussell war es ja so, daß man sich wirklich so in Gedanken in das letzte Jahrhundert zurückversetzt fühlte und daß man wirklich noch die gute alte Zeit genießen kann, wo es noch nicht so rasant zuging, wo es noch gemütlicher war, wo auch noch Pferde auf den Straßen waren, wo auch der erste Stock an der Hauptstraße die Beletage war. Diese gute alte Zeit symbolisiert eben das Pferdekarussell.
TITANIC Aber es ist kein gutes Karussell, wenn man Leute vor Angst schreien hören will, oder?
Octo Nein, da empfiehlt sich anderes. Z.B. der Space Roller oder auch hier der Revolution alias Top Spin.
TITANIC (wittert eine Sensation) Moment, der Revolution ist baugleich mit Top Spin? Ja, wissen das die Leute?
Octo (gelassen) Der Revolution ist baugleich mit Top Spin, ja. Und mit vielen anderen. Wie gesagt, es gibt Dutzende dieser Karusselle auf der ganzen Welt im Einsatz, vielleicht sogar über hundert, wer weiß? Also z.B. den Top Scan, das war der Grundname des Herstellers Mondial, gibt es nicht nur als Top Scan, sondern auch als Space Roller, als Salto Mortale oder als Skater.
TITANIC Der Grundname ist der vom ersten Modell?
Octo Nein, das ist so: Der Grundname ist der, der im Herstellerprospekt stand. Und den Namen kann sich ja jeder Betreiber selber wünschen.
TITANIC Und was ist der beste Werbespruch, den du je irgendwo gelesen hast?
Octo Der beste Werbespruch für Karusselle ist auf jeden Fall vom Techno Power gewesen: "Rausch ohne Drogen".
TITANIC Was hältst du von diesem Transformer?
Octo Der Transformer ist im Grunde ein kardanisch gelagertes Rad mit je einem aktiven Antrieb an jeder Achse. Ein ganz einfaches Grundprinzip: Ein runder Gondelträger hebt sich in die Höhe. Danach wird er selbst gedreht von einem Motor in der Mitte, dann wird er noch seitlich gedreht, so daß er Überschläge macht. Und dann dreht sich zusätzlich auch noch das Grundgestell, so daß wirklich es sich hier um einen Kreis handelt, der in jeder Dimension in Bewegung ist. Ein kardanisch gelagertes Rad mit jeweils einem Antrieb an jeder Achse.
TITANIC Also ganz einfach. Da steht drauf "Ein irrer Trip". Kann man das glauben?
Octo Es ist auf jeden Fall ein beeindruckender Trip, und ich kann den Transformer nur empfehlen!
TITANIC (anerkennend) Beim Transformer wird auch geschrieen. Ein paar Fakten zum Airwolf da drüben?

"Es sind wahrscheinlich Tausende!"

Octo Der Airwolf ist ein Gerät, das im Original vom Hersteller aus Inferno genannt wurde. Dieses Karussell gibt es als Airwolf, als Newcomer und als Nightfly in Deutschland, und es ist sehr spektakulär durch seine raffinierte Gondelaufhängung. Es werden hier ebenso wie beim Top Scan alias Space Roller verschiedene Rotationen über eine Schrägachse angesteuert, und die Rotation der eigentlichen Gondel ist wiederum passiv, d.h. ohne Antrieb kommt es hier zu zufälligen Schwingungen, weil die Gondel in der Mitte geteilt ist und zwei unabhängige Gelenke aufweist. Für jede Gondelhälfte kommt es zu einer sehr spektakulären und beeindruckenden Fahrweise.
TITANIC Aha, verstehe. Ein Muß für jeden Jahrmarktbesucher, was?
Octo Zuschauen auf jeden Fall. Ob man sich da hereintrauen möchte, hängt insbesondere vom Alter ab. Wer älter als 30 ist, sollte es sich da schon zweimal überlegen. Aber es ist ja so, daß es auch von außen sehr viel Spaß macht zuzuschauen, und deshalb kann es doch letztlich jeder Jahrmarktbesucher uneingeschränkt genießen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick