Inhalt der Printausgabe

Februar 2004


Das unredigierte Interview
"Ein Karussell ist ein Gerät, das sich dreht..."
(Seite 1 von 4)

Nicht jeder hat wohl in seinem Leben die Gelegenheit, einmal mit TITANIC-Mann Octo über den "Cannstatter Wasen" zu schlendern. Wir schon. Natürlich nutzten wir die Gelegenheit, ihm Fragen zu stellen, auf die er dann antwortete. Dann fragten wir wieder, er antwortete erneut, wir fragten, er antwortete - und immer so weiter.
Da wir das Ganze auf Band aufnahmen, konnten wir Fragen und Antworten hinterher abschreiben, und Sie können sie jetzt hier untendrunter lesen.


TITANIC Octo, du bist Karussell-Experte, auf was...
Octo (unterbricht) Bitte bezeichne mich nicht als Experten, ich bin ja jetzt schon seit zwei, drei Jahren raus aus dem Geschäft!
TITANIC Aber dein Fachwissen ist doch noch nicht veraltet, und du bist sicher noch immer einer der größten Experten…
Octo (unterbricht) Also Experte… ich bin nicht mehr auf dem laufenden, was die neusten Karussells betrifft.
TITANIC Gut, Octo, du bist Karussell-Fachmann...
Octo (unterbricht) Nein, ich bin kein Fachmann. Ein Fachmann ist ein Ingenieur, der solche baut oder prüft oder wartet. Oder betreibt.
TITANIC Aber du bist kenntnisreich, was diese Karussells angeht?
Octo Ja, richtig. Das ist ja klar. Da gehört aber auch nicht viel dazu, das ist keine Kunst.
TITANIC Okay, Octo, du bist kenntnisreich: Was ist denn die Definition von Karussell?
Octo Ein Karussell ist ein Gerät, in das man einsteigen kann und das sich in erster Linie dreht, das aber kein Riesenrad ist.
TITANIC Aha. Und auf was muß man bei einem Rummelplatzbesuch achten?
Octo Man muß darauf achten, daß man Kleidung dabei hat, die ausschließlich über Reißverschlüsse verfügt. Denn sonst ist es ja so, daß man Sachen im Karussell verliert, und dann könnte es ja geschehen, daß man bis zum Abbau warten und dann zwischen den Steinen unter dem abgebauten Karussell seine Münzen und Schlüssel und dergleichen wiedersuchen müßte.
TITANIC (erschrocken) Ja?
Octo Weil wir das vermeiden wollen, muß man darauf achten, mit Reißverschlüssen zu arbeiten. Es ist zum Beispiel sinnvoll, Anoraks im Sonderangebot, die zu wenig Reißverschlüsse haben, beim Schneider günstig mit weiteren Reißverschlüssen nachrüsten zu lassen, das ist eine sinnvolle Angelegenheit und unterstützt die kleinen Betriebe der Schneiderei.
TITANIC Und was ist mit einem Brillenetui? Oder kann man seine Brille aufbehalten? Hier in diesem Wellenflug zum Beispiel?
Octo Der Wellenflug ist wohl das einzige Karussell, in das man ohne Bedenken mit Brille einsteigen kann, und allein das hebt den Wellenflug ja schon für einen zweistelligen Prozentsatz der Karussellfreunde in einen hervorragenden Rang.
TITANIC (erschüttert) Wollen wir das mal machen?
Octo (begeistert) Ja, da fahren wir mit.



 
TITANIC-Mann Octo, Wellenflug

Wir kaufen uns auf Verlagskosten Tickets, setzen uns in die Kettensitze und warten aufgeregt auf den Start.

Octo (erklärend) Da dreht der Steward des Karussells den Sessel eines Passagiers, der den Sessel regelwidrig verdreht hat, in die richtige Stellung zurück, denn natürlich ist es beim Wellenflug streng verboten, die Ketten aufzuwickeln oder andere Sitze festzuhalten oder dergleichen gefährlichen Schabernack zu machen.
TITANIC (ängstlich) Was kann denn passieren, wenn die Ketten sich verdrehen?
Octo Dann reicht die Halterung in den Sitzen unter Umständen nicht mehr aus. Dann könnte ein kleinerer oder dünnerer Fahrgast unter Umständen herausgeschleudert werden. Deshalb muß man im Wellenflug ruhig sitzenbleiben und darf die Sitze nicht verdrillen.


Ohne besondere Vorkommnisse geht die Karussellfahrt zu Ende. Anschließend taumeln wir weiter über den Rummelplatz.

TITANIC Wir sind jetzt am Kinderkarussell, Octo, wie schätzt du das Kinderkarussell ein?
Octo Ja, das ist sicherlich sehr attraktiv für die ganz jungen Fahrgäste insbesondere, denn da kann man ganz leger mitfahren, da braucht man sich nicht anzuschnallen, das ist eine wunderbare Sache.
TITANIC Und für uns Ältere?
Octo Für uns Ältere ist es gerade deshalb auch schön, weil man ja selbst im Auto - neuerdings auch im Reiseomnibus - nicht mehr ohne Gurt unterwegs sein kann. Andererseits sind die Züge ja im Design immer dynamischer, während hier sieht man etwas Nostalgisches, was Gemütliches, und das ist ein Markt, den die Deutsche Bahn ja im Grunde längst aufgegeben hat.
TITANIC Das ist ein Muß für jeden Jahrmarktbesucher?
Octo (überzeugt) Auf jeden Fall, so wie das Riesenrad auch.
TITANIC Und wie findest du die Preise insgesamt?
Octo Die Preise sind dann hervorragend, wenn man sich den Familientag aussucht, den Tag mit den niedrigeren Eintritts- und Fahrpreisen, denn dann spart man in der Regel 30 bis 50 Prozent, und das summiert sich natürlich auf die Dauer sehr stark.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt