Inhalt der Printausgabe

November 2003


 
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Nie im Leben hätte ich gedacht, daß Fahrräder der Marke Bergwerk so unvergleichlich gut sind. Bis ich kostenlos eins umsonst geschenkt bekam, von der Firma Bergwerk; der Firma, die auch die qualitativ hochwertigen Fahrräder von Bergwerk herstellt. Natürlich hatte ich schon davon gehört, daß Redakteure von Autozeitschriften gern nach Hawaii eingeladen werden, um dort auf Kosten der Autofirmen neue Modelle zu testen, zumeist in teuren Hotels und billigen Bars. Keine Frage, daß es sich dabei um Korruption handelt. Eine Form der Korruption, die wir in TITANIC aus Prinzip niemals zulassen würden; auch deshalb nicht, weil uns niemand nach Hawaii einlädt. Höchstens mal zur Pressevorführung von Holiday on Ice (unbeheizt). Aber Bergwerk ist ja keine Autofirma, und es ist ein großer Unterschied, ob man jemandem ein Fahrrad oder eine Reise schenkt: Ein Fahrrad kann man, wenn man eine Monatskarte hat, mit in die U-Bahn nehmen, eine ganze Reise wohl kaum.

 
Ganz alltägliche Korruption:
Anton Nachbauer, Marketing-Leiter Fa. Bergwerk , Bergwerk-Fahrrad, Bergwerk-Fahrrad-Testfahrer Martin Sonneborn (v.l.n.r.)

Dennoch war ich anfangs ein bißchen mißtrauisch. Ein Geschenk? Für mich? Einfach so, ohne daß ich Geburtstag habe oder jemand ein Praktikum bei TITANIC machen möchte? Und würde man es auch in Frankfurt vorbeibringen, Montag, Punkt 14 Uhr? Lässig zerstreute der Marketingchef von Bergwerk meine Bedenken: Selbstverständlich würde man frei Haus liefern. Und: Ob ich denn noch nie ein Fahrrad geschenkt bekommen hätte, auch nicht von meinen Eltern zum Geburtstag? Doch, wenn ich genau überlegte: hatte ich. Meine letzten Einwände wurden aus dem Weg geräumt, als die Firma Bergwerk mir zusätzlich noch einen 100-Euro-Sportdress, Handschuhe mit Bergwerk -Logo und einen Fahrradhelm versprach. Einen Moment lang überlegte ich, ob es korrupt sei, das Rad nur anzunehmen, weil es drei Geschenke dazu- gab. Dann aber wurde mir klar, daß es sich schon deshalb gar nicht um Bestechung handeln kann, weil man mit so einem Fahrradhelm stets lächerlich aussieht.
Außerdem, so sicherte mir die Geschäftsführung der Firma (Bergwerk ) zu, sei es völlig ohne Belang, ob ich in TITANIC über das Fahrrad von Bergwerk berichten wolle. Nur tun müsse ich es; auf mindestens einer Doppelseite und unter möglichst häufiger Erwähnung der Marke Bergwerk. Darüber hinaus dürften in dem Artikel keine Konkurrenten wie STEPPENWOLF oder CANNONDALE auftauchen, viel lieber solche wie etwa Bergwerk.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt