Inhalt der Printausgabe
Juni 2003
Am Dienstag kam das SARS zurück Eine Reihenuntersuchung auf Herz und Verstand (Seite 5 von 9) |
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Ein paar Asylbetrüger haben genug Zeit, zum Blutdruck- und Fiebertest anzutreten, und auch hier knallt die Systole locker durch die 250er-Marke - alles in Ordnung! Ein Marokkaner rollt sein Hemd hoch und klagt über unklare Beschwerden im oberen Abdomenbereich. Sonneborn läßt ihn tief einatmen, tatscht ihm professionell an den Rippen herum, horcht ihn sogar ab und überweist ihn dann an den Abdecker, quatsch: Hausarzt. Die Mühseligen und Beladenen, die es in dieser Stadt weiß Gott zur Genüge hat, sie alle, so will es scheinen, strömen an diesem immer trüber werdenden Nachmittag zu uns. Kein Wunder, daß plötzlich Che Guevara heranhinkt, ganz in Jeans, mit Barett, Halstuch, Sonnenbrille und dem für Revolutionäre ja nicht vollends untypischen Hau: "Ich bin ein enormer Humanist", beginnt der genormte Humanist seine achtstündige Parteitagsrede, "und gewohnt, das Leben zu achten und zu schützen. Hier ist die menschliche Intelligenz gefragt!" Na, da hat seine ja wohl einen ruhigen Nachmittag vor sich. Jedenfalls sei die Asien-Pest "die erste große Herausforderung des neuen Jahrtausends, echt enorm! Aber wahrscheinlich wird die Menschheit nicht wieder, die Erde wehrt sich gegen die Überbevölkerung. Die Menschheit überschreitet gewisse Grenzen, BSE, Kadaver verfüttern, um Gewinn einzufahren, schon enorm!" Wir pflichten ihm enorm bei. "Könnten nicht", kratzt sich der Hirnmoribunde den Vollrauschebart, "vielleicht die Geheimdienste dahinterstecken?" Könnte! Könnte! Was den Leuten nicht alles einfällt! Hier scheint SARS schon ein erstes williges Opfer gefunden zu haben. Wir jedenfalls geben ihm recht und dann vor, wir wüßten Bescheid, dürften aber "nicht darüber sprechen". Als dann schließlich Oberschwester Glockenhell einer Rentnerin ein als Heißklebepistole verkleidetes Fiebermeßgerät an den Dez drückt, wird dem bärtigen Diversanten noch mal mulmig: "Der Arzt, der das entdeckt hat", er äugt vielsagend, "ist ja auch gestorben..." Er verabschiedet sich melancholisch. "Toi, toi, toi, daß es die Menschheit noch ein paar Jahrzehnte macht! Das wär schon enorm." |
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