Inhalt der Printausgabe
Juli 2003
Leo, wir waren in Deinem Dorf! (Seite 3 von 9) |
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Praktisch nebenan treffen wir zwischen Trecker und Scheune das Ehepaar Dolzer: Sie in babyrosa Arbeitsbluse, er nackt bis auf Lederhose, (offenes) Hemd und Gummistiefel, einen prächtigen Bierbauch und den Sonnenbrand des Spargelbauern. Wir erzählen unsere Geschichte: Daß wir von der Kirch-Gruppe sind und die Leute im Dorf warnen wollen vor der Bild-Zeitung, die nächstens vor der Fahrer Tür stehen und gemeine Geschichten über den Kirchleo verbreiten werde: Ob man vielleicht wisse, welche? "Der Leo wor so fein, der hod uns die Kirch g'richd", schwärmt Mme. Dolzer, "un' wer wos gecher den socht, is a Simbl. Ich hob v'l Reschbeggd vor dem. Wos er gmachd hot, is mir egol. Wer nix dud, mocht nix verkehrd, so isses doch!" Und der Kirchleo hat, wie wir erfahren, so einiges gemacht: das Sportlerheim gestiftet, den Sportplatz gestiftet und beim saisonentscheidenden 4:3 des TSV Fahr gegen Traktor Weibersbrunn den finalen Elfmeter versenkt, naja, das muß natürlich nicht stimmen. Zu einem abschließend anberaumten Fototermin eilt Frau Dolzer ins Haus, sich umzuziehen, und kommt mit einer sehr kleidsamen Kittelschürze wieder heraus. Herr Dolzer, der sich mit uns noch über Landwirtschaft im allgemeinen und die Spargelsaison im besonderen unterhält, bringt zum Abschied noch milde Medienkritik an: "Die Bild-Zeidung ghört derschossn." Ein paar Häuser weiter ist Frau Boemke dagegen jung, blond und reichlich zugezogen. "Das ist mir alles total wurscht", zeigt sie sich interessiert, "es wäre mir auch wurscht, wenn Leo Kirch Pornos gedreht hätte. Warum soll er nicht dürfen, was andere dürfen?" Ja, warum eigentlich nicht? Was Walter Jens und Maybrit Illner recht ist, kann dem Leo doch weiß Gott billig sein! |
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So oder ähnlich denkt bestimmt auch Herr Krämer, der auf den schönen Vornamen Edgar hört, Rentner ist und hinter seiner Hecke den Gartenweg fegt. Gleich nebenan befindet sich das Kirchsche Elternhaus, Edgar weiß also Bescheid. Niemand im Dorf, so der ehemalige Fern-, Fähr- und Abfahrer überzeugt, würde Sex-Gerüchte glauben. "Es wird das Gerücht gestreut", erklären wir ihm, "Leo Kirch sei der schlechteste Schüler der Welt gewesen. Das stimmt gar nicht. Meinen Sie nicht, da gibt es schlechtere?" "Nie", tappt Herr Krämer umstandslos in die kleine Falle, will aber sonst auf seinen ehemaligen Nachbarn nichts, aber auch gar nichts kommen lassen. Lieber fegt er ein bißchen weiter vor sich hin, hinter der akkurat getrimmten Hecke wackelt seine beige Schiebermütze. Die Stimmung in Fahr ist, soviel ist jetzt schon mal klar, ganz eindeutig leofreundlich. Wer ihn kennt, schätzt den sehbehinderten Patriarchen als großzügigen Mentor der lokalen Vereins- und Kirchenszene, als milden Patron und treuen Paterfamilias, wer ihn nicht kennt, auch. Dieses Denkmal vom Sockel zu stoßen, wird keine leichte Aufgabe sein. |
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