Inhalt der Printausgabe
Juli 2003
Leo, wir waren in Deinem Dorf! (Seite 2 von 9) |
||
Mittwoch, 4. Juni Team 1: Gärtner / Nagel Heiß und schwer liegt der Nachmittagsglast auf Fahr, Stadt Volkach, Kreis Kitzingen. Fachwerk ächzt in der Sonne, Ponys suchen nach Liebe und Schatten unter weit ausladenden Lindenbäumen, das Rathaus hat geschlossen. Hin und wieder markieren Trecker Verkehr, nebenan gluckert der Main. Das ist genau die verwunschene, zauberhafte Provinzidylle, die wir Großstadtmenschen vor fünf bis zwanzig Jahren fluchtartig verlassen haben. Aber man sieht sich immer zweimal im Leben, und schließlich sind wir nicht zum Vergnügen hier. Keine zwei Stunden ist es her, daß wir im mainfränkischen Städtchen Volkach in der Pension "Zum Lamm" Quartier genommen haben, mit landestypischer Rohheit begrüßt von einem Paradedrachen namens Wirtin, deren liebster Romanheld ganz klar Kalle Unwirsch ist. "Haben Sie hier immer so ein Wetterchen?" charmiert Chefcharmeur Sonneborn unter Anspielung auf die geschätzten 42 Grad im Wasser und holt sich eine erfrischend eiskalte Abfuhr: "Wos isn des für a Froch?" schnappt die Protofränkin zornig, "so a dumme Froch hob ich ja noch nie ghert!" Natürlich ist es schade, daß die NSDAP verboten ist - aber muß man seine schlechte Laune darum an der Kundschaft auslassen? In Unterfranken scheint das oberstes Gebot, und wir schleichen demütig in unsere Zellen. Als wir wieder herausschleichen, würden uns nicht einmal die Mütter von wildfremden Leuten wiedererkennen: In gut wärmenden grauen Polyesteranzügen, mit schönen "Kirch-Gruppe"-T-Shirts und "Kirch-Gruppe"-Aktenordnern unter dem Arm treten wir die Kurzreise in das Nachbardörfchen Fahr (640 Einwohner) an, wo der nicht weniger berühmte Leo Kirch herstammt; Leo Kirch, Filmmogul, Extrempleitier und Kohlbestecher, schwer krank und fast blind und damit ein dankbares Opfer für uns muntere Scherzganoven aus Frankfurt am Main. | ||
| ||
Wir, die erprobten Dummefragensteller Gärtner und Nagel, sind die Vorhut: zu prüfen, wie die Stimmung so ist in Kirch Country, wo es ein Weingut Reinhold Kirch gibt (Bruder), ein Weingut Franz Kirch (Schwester) und eine gelbe Dorfkirch (Jesus). Was weiß die Dorfbevölkerung vom Kirchleo? Was über seine Bestechungsspäßchen, seine Decoderpleite und seinen heimlichen Kirchenaustritt? Und was hält man hier von ihm: Ist der Alte wirklich so beliebt, daß es sich lohnt, ihn hier schlecht zu machen? "Ich bin ned a so der Dübb, der so die Zeidung liest. Bin a ned so der Dübb, der wou sich für Bolidigg indressierd. Des überlaß ich die annern." Frau Leibold, 60, ist offenbar nicht so der Typ, der die Zeitung liest und nichts vom Spargelstechen versteht. Politik ist ihr schnuppe, und deshalb kann sie über den Durchstecher Kirchleo auch nichts Schlechtes sagen. Eigentlich kann sie überhaupt nichts über ihn sagen, weil sie nicht einmal seine Vorzeigefilme kennt, weder "James Bond" noch "Pumuckl", weder "La Strada" noch die "Tagesschau". Einzig an "Daktari" kann sie sich erinnern. "Ich bin ze jung, um wos ze verzähl', der ist ja älder als wie ich. Versung Se's doch amol beim Krapf Addua in der Blüdnstroß', der is sei Joahrgong." Krapf Addua aber scheint auf den Kirchleo nicht gut zu sprechen zu sein: Sein Anwesen, zwei Gehminuten weiter, ist abgeschlossen, ja verrammelt. |
||
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 |