Inhalt der Printausgabe
Februar 2003
Humorkritik
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Roski auf Reisen |
Als Ghostwriterin für seine Autobiographie hat Dieter Bohlen die Bild-Klatschtante Katja Keßler-Diekmann gewinnen können, und diese markterfahrene Top-Schreibkraft hat sich gehütet, Korrekturen am Negativ-Image ihres Schützlings vorzunehmen. Im Gegenteil, aufs rotzigste läßt sie ihn übers unzumutbar-unmännliche Geschirrspülen räsonieren etc., weiß Keßler doch um die verkaufsfördernde Wirkung solcher Salon-Rüpeleien bzw. darum, daß von einem Bohlen ohne Kotzbrocken-Attitüde nichts mehr übrigbliebe. Zeitgleich mit Bohlen veröffentlicht der Klavierkomödiant Ulrich Roski seine Autobiographie "In vollen Zügen" (Eichborn) und beweist, daß sich auch ohne Rotzattitüde, Ghostwriterin und Bestsellerchancen ein belangloses Buch verfassen läßt. Auf dreihundert Druckseiten gelingt es dem Verfasser, jegliches Interesse an seiner Person zu ersticken - sehr zu meinem Bedauern übrigens. In durchaus guter Erinnerung nämlich sind mir die Lieder des mittlerweile Achtundfünfzigjährigen, der in der Ära der Insterburg & Co. kurzfristig Hitparadenruhm erlangt hatte und sich seither mit diversen Comebackversuchen herumschlägt; einen davon nahm ich vor acht Jahren zum Anlaß, hier seine gleichermaßen professionell wie originell verfertigten Couplets zu belobigen. Nie wäre dem geschmackssicheren Songdichter Roski eingefallen, realistisch von sich selbst zu erzählen - umso ärgerlicher, daß es nun der Buchautor tut und damit bestätigt, was ohnehin zu befürchten stand: Roski ist zu sympathisch, um zu provozieren, zu einzelgängerisch, um ein soziologisch wertvolles Durchschnittsschicksal vorweisen zu können, kurz: sein Leben liefert kaum Stoff für eine Autobiographie. Folgerichtig galt es, Belanglosigkeiten wie etwa eine alkoholisierte Autofahrt kapitellang aufzublähen, Schulbildung in Gestalt fortwährenden Name- und Goethezeilen-Droppings herbeizuzitieren sowie toplangweilige Promi-Begegnungen brav zu protokollieren: "Der Frontsänger der Gruppe hieß übrigens Reinhard Mey und traf auch später mit seinen Liedern eher den Geschmack des großen Publikums als ich mit meinen." All dies soll der doppelsinnige Buchtitel zusammenschnüren nach Art der Roter-Faden-Heftung, ein fadenscheiniges und letztlich sinnloses Unterfangen, da sich Roski weder als Bahnreisender noch als Großspur-Genießer entscheidend profiliert. Daß die Lektüre seines Buches noch schlimmer schmerzt als die des Bohlen-Keßlerschen, hat einen weiteren Grund: Immer wieder blitzt Roskis Formulierungsgeschick auf, immer wieder gelingen ihm überraschende Pointen - etwa, wenn er als Student in Berlin sein erstes Auto tauft: "Eigentlich hätte man erwarten können, daß die Grenzpolizisten hinter der Mauer ein paar Schuß Salut abgaben. Doch die brauchten zum Schießen immer eine Bezugsperson." Ein Jammer, solche Bonmots in derart fragwürdiger Umgebung anzutreffen. Durchaus möglich, daß Roski ein kurzweiliger Prosaband gelingen könnte - vorausgesetzt, daß der Protagonist seiner Autobiografie keine tragende Rolle darin spielt. Der übrigens hat vorerst anderes zu tun, wie der erfreulichste Satz des ganzen Buches mitteilt. Wir finden ihn nicht zwischen den Buchdeckeln, sondern auf dem hinteren Umschlag: "Nach einer längeren krankheitsbedingten Pause ist Roski seit einigen Monaten gemeinsam mit dem Münchner Kammerorchester-Duo Unsere Lieblinge und neuem Programm auf Tournee." Gute Reise! |
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