Inhalt der Printausgabe
Februar 2003
Nur ohne unsere Mütter, Strambi!
Eine Flugrückschau von Oliver Maria Schmitt
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Zuhause sah ich gedankenverloren in den blutorangenrot dämmernden Himmel. Die ersten Chartermaschinen waren schon wieder im geregelten Landeanflug. Alle Fenster der Stadt waren erleuchtet. Verdunkelung bei Luftangriff - das war mal. Und überall standen Menschen an den Fenstern, starrten noch immer nach oben und telefonierten mit ihren schnurlosen Apparaten. Wahrscheinlich mit ihren Müttern. Ich schaute auf die Uhr. Kurz vor sieben. Ich ging zum Telefon, da klingelte es auch schon. Mutter war dran. Ob in Frankfurt alles in Ordnung sei. Sie habe in den Nachrichten von einem Verrückten gehört, der die Stadt mit Terrorangriffen traktiert habe. Bombenhagel und Granaten! Häuser stünden in Flammen, Wasserleitungen seien geplatzt, Plündererbanden marodierten durch die Ruinen, alles sei zerstört, und der Stau vor dem Frankfurter Kreuz löse sich nur zögerlich auf. Ob ich warm genug angezogen sei und die mitgegebenen Leberwurstbrote verzehrt hätte, morgen seien sie nicht mehr gut, sie habe sich diese Wurst vom Munde abgespart, es sei gute Landwurst, nicht das billige Zeug aus der Fabrik, mit dem man uns in der Stadt abspeise usw. usf. Ich sagte Piep! Piep! Pippippipiep!, erklärte, der Akku sei leider alle, und legte auf. Und ich beschloß feierlich, ja ich schwor mir, morgen, wenn sie wieder anrief wie an jedem Tag, dann - einfach gar nicht mehr ranzugehen. Oder jedenfalls nur ganz kurz mit ihr zu sprechen. Denn so viel war mir klar: Nach diesem 5. Januar - war die Welt nicht mehr dieselbe. |
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