Inhalt der Printausgabe
Dezember 2003
Vom Fachmann für Kenner (Seite 13 von 16) |
Tagebuch (10.11.03) Plötzlicher Plan: Pornographie, Computertechnologie, Konzeptkunst und Jugendschutz durch originelle Neukombination gegeneinander ausspielen. Idee: einen explizit pornographischen, dabei aber vollkommen jugendfreien Bildschirmschoner entwickeln, dessen Wirkmacht sich ausschließlich im Bewußtsein des Betrachters niederschlägt und von Außenstehenden nicht nachvollzogen werden kann. Personalisierte abstrakte Pornographie. Ausführung: Lade aus dem Internet zwanzig zeittypisch freizügige Aufnahmen nackter Mädchen herunter; Beine wunderbar für alles offen und möbelkatalogmäßig ausgeleuchtet. (Längere Recherche notwendig, da es nicht irgendwelche zwanzig sein sollen, sondern solche, denen ich auch bekleidet gestatten würde, meinen Abwasch zu erledigen, meine pompösen Ideen zu verspotten usw.) Zoome in Photoshop mit der Lupe solange auf das jeweilige entscheidende (und immer wieder überaus hübsch anzuschauende) Detail - denn die Großaufnahme ist der eigentliche Handlungsträger jeder Pornographie, egal ob narrativ oder figurativ -, bis nur noch ein asymmetrisches Muster aus winzigen Quadraten in verschiedenen Rosa- und Rottönen zu erkennen ist. Wähle je Foto einen Farbton aus, indem ich mit der Pipette jeweils eines der winzigen Quadrate anklicke, und färbe dann mit Hilfe des Farbeimerchens jeweils ein neues, bildschirmfüllendes Rechteck flächig damit ein. Speichere die so entstandenen zwanzig Farbtafeln à zwanzig Farbtöne - von zartrosa bis dunkelviolett - alle im selben Ordner und weise den Bildschirmschoner, der widerspruchslos alle Bilder, die man ihm nennt, in zufallsgenerierter Reihenfolge auf dem Bildschirm kreisen läßt, an, sich aus diesem Ordner zu bedienen. Neugieriges Warten. Leichte Enttäuschung: Die insgeheim erhoffte Aufwallung bei Aktivierung des Bildschirmschoners - befeuert durch das Herrschaftswissen über den Ursprung der flächigen Rosa- und Rottöne, die auf dem Bildschirm so sauber wie unschuldig hochästhetisch ineinanderwabern - stellt sich nicht ein. Vermutlich wird die Bedeutung der Phantasie bei der Entstehung sexueller Erregung doch weit überschätzt. Tabletten genommen, bald eingeschlafen. Sextraum (Farben). Benjamin Schiffner
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