Inhalt der Printausgabe
August 2003
Fehlende Trennschärfe |
Lieber Titanic-Leser, Auch wenn das Universum nach Erkenntnissen amerikanischer Wissenschaftler von enormer Komplexität ist - schaut man einmal etwas genauer hin, läßt sich im Grunde alles Dasein auf zwei existentielle Momente reduzieren: Begegnung und Trennung |
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Ein Treffen zweier Schnellzüge auf gerader Strecke; die Zusammenkunft von Deutschlands bestem Schauspieler mit vier koscheren Prostituierten aus der Ukraine; die Begegnung von Fußballtorwart und Disco-Luder und ihre anschließende Trennung; die Trennung des Ehepaars Möllemann, das Auseinandergehen von Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl - das sind Augenblicke, in denen sich universelle Gesetze manifestieren. Und was wäre unser Land heute ohne Mülltrennung (Dieter Bohlen/Thomas Anders)? Gerade deshalb dürfen wir von TITANIC uns diesen Themen nicht verschließen.
Dem tragischen Fall der Zwillinge Laleh und Ladan allerdings - manche Medien sprechen von iranischen, andere von siamesischen Zwillingen - wollten wir in diesem Monat nicht allzu viel Platz einräumen; schließlich ist unser Verlag im Gegensatz zur Raffles-Klinik in Singapur nicht börsennotiert. | |
Trennung gelungen, Hirnschaden gerettet: J. Fischer (links) und seine Frau (nicht im Bild) | |
Nicht unwahrscheinlich allerdings, daß wir im Fall der "doppelten Schwestern" (Bild-Zeitung) kompetenter gewesen wären. Immerhin haben wir mehr Erfahrung, was die Ausrichtung eines derartigen Medienspektakels betrifft. Und auch bei der Operation selbst hätten wir mit den Retuschier- und Trennprogrammen unserer großen Layout-Computer wohl ähnliche Chancen gehabt wie die Kollegen in Singapur. Oder auch der Besitzer des Imbißstandes gegenüber unserer Redaktion mit seinem großen Dönermesser.
Wie auch immer, die siamesischen Zwillinge haben ein paar skrupellose Ärzte gefunden, die ohne Rücksicht auf Risiken getrennt haben, was zusammengewachsen war, aber nicht zusammengehörte. Wenn die erste Aufregung sich gelegt hat, sollte man dann nicht aus der Angelegenheit lernen - und einmal darüber nachdenken, das Skalpell an der Zonengrenze anzusetzen? Herzlichst, Ihr Martin Sonneborn
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