Inhalt der Printausgabe
September 2002
Humorkritik
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Bier-Bruder |
Warum Bernhard Lenz, die eine Hälfte des an dieser Stelle gelegentlich gelobten Offenbacher Trashkurzfilmduos "Freax", erst jetzt, lange nachdem "Big Brother" im Medienmüllcontainer verschwunden ist, mit einer schon im Januar 2001 gedrehten Parodie namens "Bier Brother" herausrückt, ist mir zwar nicht ganz klar, aber 97 bemerkenswerte VHS-Minuten sind es allemal. Lenz hat sich für das Experiment zwei Kumpels geschnappt und zweieinhalb Tage in einer eigens dafür hergerichteten Garage verbarrikadiert mit dem Ziel, aus 192 gemeinsam geleerten Bierdosen eine "Bieramyde" zu errichten und dabei die Kamera laufenzulassen. Was in seiner natürlichen Nähe zu Videoaufnahmen von Abitursfeiern inkl. Dauergerülpse und Fickwitzchen recht peinlich beginnt, entwickelt sich mit zunehmender Betrunkenheit der Akteure zu einem verblüffend aufklärerischen Stück mit beängstigend lustigen Passagen. Beängstigend v.a. deswegen, weil man bei Lenz, der seine Mitstreiter intellektuell deutlich überragt, irgendwann nicht mehr weiß, was Ernst ist und was vielleicht nur Spiel; wenn er, der arbeitslose Krankenpfleger, irgendwann am Ende des ersten Tages und bei ca. Dose 22 zu heulen beginnt, er finde einfach keinen Job und fühle sich auf dem Arbeitsamt von "behinderten Idioten" behandelt "wie Scheiße", und sichtlich verzweifelt einen Wein- und Schimpfkrampf kriegt ("Die können nichts! Nichts können die!"), welcher von seinen Kollegen inmitten eines allgemeinen Infernos aus Bier-, Chips- und Zigarettenresten mit einer Mischung aus natürlicher und angetrunkener Stumpfheit hilflos bis indifferent beglotzt wird, und sich Lenz hernach noch sehr eindrücklich in einen Eimer erbricht - dann saß ich vor dem Gerät und mußte sehr lachen, und als ich, nicht ohne Schrecken, gewahr wurde, worüber ich da möglicherweise lachte, mußte ich - noch mehr lachen. Tja. Wenn Sie lieber selbst entscheiden möchten, ob Ihr alter Mentz tatsächlich so ein gefühlskaltes Graubein ist oder Pfleger Lenz doch eher ein Grimmepreis gebührt, können Sie das so oder so eindrucksvolle Video bei Alexander Schrumpf, Hünefeldstr. 149, 65205 Wiesbaden bestellen. |
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