Inhalt der Printausgabe

Oktober 2002


Stern-Leser, willkommen bei TITANIC!


LIEBER STERN-LESER!

SICHER, SIE ZÄHLEN NICHT GERADE ZU DEN KLÜGSTEN IM LANDE, SONST WÜRDEN SIE JA TITANIC LESEN UND NICHT STERN; EINE ZEITSCHRIFT, DIE SICH IM ÜBRIGEN NICHT
zu schade ist, Briefe ihrer eigenen Leser abzudrucken. Aber muß man Ihnen deshalb gleich eine Doppelseite geschmackloser und zutiefst tierverachtender Satire vorenthalten?

Martin Sonneborn, Chefredakteur
Martin Sonneborn,
Chefredakteur
Manche sagen so, manche so. Die Chefredaktion Ihres sauberen Blattes zum Beispiel sah sich gerade gezwungen, eine Folge der Comic-Reihe "Die roten Strolche" in ihrem Magazin kommentar- und ersatzlos zu streichen. In dieser "Satire" (Stern) nämlich hatte sich ein Haufen ehemaliger TITANIC-Redakteure und -Zeichner unter anderem mit den Ereignissen des 11. September auseinandergesetzt; und das stand offensichtlich in Widerspruch zu den sensiblen, doppelseitigen Hochglanzfotos von einstürzenden Neubauten, gefeuerten Finanzmaklern und fliegenden Händlern weiter vorne im Heft.

Ein eher fragwürdiges Magazin wie TITANIC hingegen ("Schmutz total!", B. Engholm) springt da natürlich gerne ein und reicht Ihnen, liebe Stern-Leser, der Vollständigkeit halber die zensierte Folge hier im Heft nach (Seite 28 - 29).

Um Ihnen darüber hinaus zu zeigen, daß wir zumindest ehemalige Stern-Leser schätzen, machen wir Ihnen ein Angebot: Für jede nachweisliche Kündigung eines Stern-Abos (Kopie der Kündigungsbestätigung) schicken wir Ihnen eine Original-TITANIC mit der ersten Folge der "Roten Strolche" - solange der Vorrat reicht...

So geht´s doch auch (nicht)
So geht´s doch auch (nicht): WTC-Berichterstattung im Stern (links) und nicht im Stern (rechts) bzw. in TITANIC


LIEBER TITANIC-LESER!

BITTE STÖREN SIE SICH NICHT AN DEN Z.T. RECHT MERKWÜRDIGEN GESTALTEN, DIE IN DIESEM MONAT TITANIC LESEN. ES HANDELT SICH UM STERN-LESER ODER SCHWEIZER.
Im Zuge eines Satire-Entwicklungshilfe-Programms ist ein Teil der TITANIC-Redaktion mit einem Koffer voll gebrauchter Pointen, gut abgehangenen Witz-Materials und einer Reihe Alphorn- bzw. Käse-Kalauer nach Zürich gereist.

Dort haben wir der Redaktion vom Magazin (Samstagsbeilage des Tagesanzeiger) behutsam zu zeigen versucht, wie man eine traditionsreiche, florierende Zeitschrift innerhalb weniger Tage erfolgreich herunterwirtschaftet. Ob die erwarteten 250 000 Abokündigungen eine realistische Größe sind, können Sie ab dem 28.9. auch in Deutschland verfolgen: am Bahnhofskiosk, im Außenpolitikteil überregionaler Zeitungen oder unter www.dasmagazin.ch.

Herzlichst, Ihr Martin Sonneborn


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg