Inhalt der Printausgabe

Mai 2002


Der Aasgeier des Satans
Wie Rupert Murdoch zum Programmverantwortlichen
(fast) der ganzen Welt wurde
(Seite 4 von 7)

Worin liegt der Grund für diese unerbittliche Entschlossenheit? Murdoch-Biographen sehen ihn in einem ganz einfachen Charakterzug des Australo-Amerikaners: seinem Menschenhaß. Diesen wiederum führen sie auf ein prägendes Erlebnis in Murdochs Kindheit zurück: Als Fünfjähriger wünschte sich der kleine Rupert von seinem Vater, dem hochdekorierten Kriegsheld Sir Keith Murdoch, auch einmal ein Spielzeug und nicht immer nur Quittungsblöcke, Rechenschieber und Prügel. Zu Weihnachten bekam er jedoch - einen Schlitten! Heulend stand der Bube damit in der sengenden Sonne der australischen Wüste herum, schwor, daß eines Tages irgend jemand dafür büßen müsse, und setzte sich brav wieder an seine Geschäftsbücher. Jenes Gefühl der Verlassenheit jedoch, das er als Fünfjähriger kennengelernt hatte, wenn der Schlitten wieder einmal in einer Düne steckenblieb, sollte ihn nie mehr loslassen; er kultivierte es schließlich zu seiner Mission: Alle Menschen sollten solch atomisierte Charakterruinen werden wie er selbst. Was konnte da hilfreicher sein als das Fernsehen?
Mitte der Achtziger erwarb Murdoch für einen mehrstelligen Millionenbetrag die amerikanische Staatsbürgerschaft, setzte in die USA über und kaufte dort Sender nach Sender, Kette nach Kette und Network nach Network. Auch hier lockte er mit Innovationen: Seine Programme wurden flimmerfrei und durchgehend in Farbe ausgestrahlt. Er strich die drögen Schulfunksendungen, die damals das Fernsehen beherrschten, reduzierte die Zahl der langweiligen Nachrichten auf solche, in denen er selber vorkam, und brachte statt lahmen Wissenschaftlern und verbiesterten Gewerkschaftern lieber glamouröse Stars, spannende Shows und packenden Sport - allesamt in großen, leicht lesbaren Buchstaben. Als die Einschaltquoten seiner Sender Rekorde zu brechen begannen, erinnerte sich Murdoch an seine australischen Anfänge und erfand kurzerhand das Bezahlfernsehen. "Wenn die meine Sender gucken, sollen die auch dafür bezahlen", so begründete der Mogul seinen einsamen Entschluß, "Ich mach das ja nicht aus Spaß."
Die Milliarden, die er mit seiner "News Corporation" inzwischen scheffelte, machten ihm aber auch keinen rechten Spaß mehr. Er verschiffte sie dahin, wo sie ihn am wenigsten störten, auf einsame Inseln wie die Cayman Islands, die Bermudas und Liechtenstein, oder investierte sie in seine Sammlung rarer und exotischer Politiker. Was ihm indes am meisten Sorgen bereitete, war, daß sich auf allen Märkten, die er beackerte, immer noch Konkurrenz herumtrieb. Murdoch verdoppelte seine Anstrengungen: Er verkaufte Zeitungen von gestern zum halben Preis, brachte seinen Drückerkolonnen herzerweichende Geschichten über hungrige Känguruhbabys bei und warb heftig mit sog. "Gimmicks", die seinen Illustrierten beilagen (Impressum, "Urzeitkrebse", Tinnef aus Weichplastik, mit dem man Leute auf Partys verarscht). Seinen Rivalen kaufte er rentable Buchverlage und Radiostationen ab, um sie am nächsten Tag völlig ruiniert wieder abzustoßen; ebenso heuerte und feuerte er seine Angestellten nach Gutdünken, manchmal mehrmals am Tag hintereinander, nur um sie zu demoralisieren oder ihre Arbeitsverträge zu beenden.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt