Inhalt der Printausgabe
März 2002
Humorkritik
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Unerfindlich |
Über die Toten, zu denen seit relativ kurzem der verunfallte W.G. Sebald zählt, soll man ja nichts Schlechtes sagen, über schlechten Stil aber immer, und auch über Angeberei, prätentiöses Blendwerk, manierierten Unfug u.a.m. Von all dem findet sich reichlich in Sebalds hochgelobtem Letztling "Austerlitz" (Hanser). Animiert von den grandiosen nachrufenden Sebald-Apotheosen, hab' ich ihn zu Studienzwecken lesen wollen und - wie man's halt so zu praktizieren pflegt - mit dem ersten Satz begonnen: "In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre bin ich, teilweise zu Studienzwecken, teilweise aus anderen, mir selbst nicht recht erfindlichen Gründen, von England aus wiederholt nach Belgien gefahren, manchmal bloß für ein, zwei Tage, manchmal für mehrere Wochen." Potzblitz, dachte ich da und mußte erst mal innehalten. Denn: Nicht recht erfindlich ist für mich, wie jemand wiederholt wochenlange Auslandsreisen tätigt, ohne jemals dahinter zu kommen, warum und wieso. Nicht recht erfindlich ist für mich ferner, warum die Kritik vor derlei gehaltfreiem Schwurbel in die knirschenden Knie geht; und vor allem ist mir nicht recht erfindlich, aus welchen unerfindlichen Gründen Sebald so was geschrieben hat. Zu Studienzwecken, um zu gucken, ob außer Mentz noch einer was merkt? Weil es komisch ist, wenn auch nur unfreiwillig? Am unerfindlichsten aber ist für mich, warum ich Sebald lesen soll. Und hab's, weil das Buch in dem Stiefel weitergeht, dann auch gelassen. |
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