Inhalt der Printausgabe

März 2002


Humorkritik
(Seite 3 von 7)

www.bierfieber.de

Jetzt haben wir es amtlich: Bier ist "das immer noch junge und angesagte Szenegetränk". Ob das wirklich so ist, wage ich kaum zu beurteilen, daß es aber so sein soll, das will der Deutsche Brauer-Bund e.V. Und zwar mit allen Mitteln. Letztere erschöpfen sich seit Jahren nachweislich darin, immer mehr schlechte Biere herzustellen und gute Biere klammheimlich abzuschaffen.
Neu hinzu kommt das "Bierige Online-Portal", eine "Kommunikationsplattform der deutschen Brauer für Szenegänger und Trendsetter zwischen 18 und 35 Jahren" mit Namen www.bierfieber.de. Verhältnismäßig flott beginnt der Einstieg, dann erscheint die Lounge - ein "futuristischer Flughafen" - mit den "News", dem "Gästebuch", obskurer "Poetry" und, heutzutage unvermeidlich, "witzigen Comedy-Clips" und "angesagten Autorenbeiträgen" von, nein, nicht Fips Asmussen, sondern: von Feridun Zaimoglu oder - Prost! - Benjamin von Stuckrad-Barre. Das hätte ich ja zu gerne erlebt, wie sich die angesagten Szeneautoren "kurzweilig bis anspruchsvoll" zu virtuellen Bierzeltdeppen machen, aber die Links gehen nicht auf. Jedenfalls nicht in diesem Erdzeitalter. Schade, soviel Zeit habe ich nicht. Ob dies "Szeneportal für junge Bierfans" den "jungen Szenegängern […] das Volksgetränk Nummer 1 als junges und angesagtes Szenegetränk erlebbar" machen kann, steht einigermaßen dahin. Außerdem haben junge Szenegänger noch weniger Zeit als ich. Obwohl sie ja am liebsten, da bin ich überzeugt, bei einem "leckeren Bier" ihrer "Kreativität freien Lauf lassen und, inspiriert, künstlerisch" Bierdeckel online gestalten würden. Doch der Deutsche Brauer-Bund hat den Pilsner Urknall nicht gehört. Sein abgestandener "Spaß rund um das fröhliche Produkt Bier" ist nicht mehr als ein Vollrohrkrepierer.
Das angesagte Volksgetränk Nummer 1 der Deutschen ist übrigens nach wie vor der Bohnenkaffee. Merken! Darauf kein "leckeres", sondern ein wirklich gutes Pilsner. Aus Pilsen. Logisch.


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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt