Inhalt der Printausgabe

März 2002


Die große Kirch-Pleite


Wie die Werbepause in einen fesselnden Bluemovieblockbusterfilmfilm auf Sat.1, so störend platzte vor wenigen Tagen eine Schlagzeile in die beschauliche Ruhe der Redaktion: "Kirch-Pleite: Gläubiger läuten Ausverkauf ein!"

Martin Sonneborn, Chefredakteur
Martin Sonneborn,
Chefredakteur
Was ist das nur für ein Land, möchte man sich fragen, in dem sich Politiker und Geldfachleute wie die Geier auf einen alten, halbblinden Mann stürzen, bloß weil er mit seinen Fernseh-Kanälen ein paar Milliarden Euro (ein paar Milliarden mehr DM) Schulden herausgewirtschaftet hat?

März-TITANIC - Vatikan-Ausgabe
März-TITANIC - Vatikan-Ausgabe


Zumal diese Entwicklung doch wohl alles andere als überraschend kam. Möglich, daß wir von TITANIC durch unseren Umgang mit großen Bankrotteuren (Ex-TITANIC-Verleger Sondermann, TITANIC-Verleger Weihönig) sensibilisiert sind und daher die ersten diskreten Anzeichen für den baldigen Niedergang eines Medienimperiums eher wahrnehmen als die Kollegen von Capital, Bizz (die ja nicht mal ihre eigene Einstellung vorausgesehen haben) und Bayerische Landesbank Quarterly. Selbst einem mäßig begabten Fernseher jedoch hätte auffallen können, daß sich das Programmschema der Kirch-Sender seit geraumer Zeit gewandelt hat: Während in den ersten Jahren mit teuren Hollywood-Schinken wie "Die Farbe des Geldes", "Geld spielt keine Rolle" oder "Geier, Geld und goldene Eier" geprotzt wurde, mußten die Zuschauer in den letzten Monaten immer öfter mit Eigenproduktionen à la "Ein Herr ohne Kleingeld", "Blicke in den Abgrund" und "Die große Pleite" Vorlieb nehmen.

Wer sich im TV-Tycoon-Business auskennt, weiß, daß Leo Kirch schwere Fehler gemacht hat. Statt sich an den Erfolg der Konkurrenz zu hängen und sich als Kandidat bei "Wer wird Millionär?" zu bewerben oder wenigstens über ein ebenbürtiges Format Verbindlichkeiten abzubauen ("Wer wird Schuldenmillionär?"), setzte er ganz auf das Bezahlfernsehen Premiere.

Genau diese Irrsinnstat hat dem Fernseh-Mogul letztlich den Hals gebrochen: Obwohl finanziell nicht zum besten gestellt, entschied sich Kirch für eins seiner eigenen überteuerten Premiere-Abos - kein Wunder, daß die Banken da nicht länger mitspielen wollten!

Die panischen Reaktionen in Politik und Medien jedoch sind übertrieben: Auch wenn der australische Medien-Zar Murdoch sich jetzt in den deutschen Fernsehmarkt einkaufen will - ein paar Sendungen mit rammelnden Känguruhs verändern die Programmqualität wohl kaum zum Schlechteren.

Herzlichst, Ihr
Martin Sonneborn


PS: Der Wahlkampf hat begonnen - Friedrich Merz ist ab sofort auch über die URL www.fotzenfritz.tk zu erreichen!


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg