Inhalt der Printausgabe

Juni 2002


Briefe an die Leser
(Seite 9 von 10)

Schon immer, Ulf Poschardt,
haben wir uns gefragt, wo jemand schlußendlich landet, der vor Zeiten als hoffnungsvoller junger Popforscher zunächst eine buchgewordene Dissertation über "DJ Culture" vorlegte, dann das damals noch existente SZ-Magazin mit kümmerlich getürkten Starinterviews aufmöbelte, deswegen geschaßt wurde, hernach, wie so viele Nullen, in die Springermedien abrutschte, dann nur noch als Sportwagenbesitzer von sich reden machte und folgerichtig auch ein beeindruckend überflüssiges Buch "Über Sportwagen" vorlegte. Alles cool, alles hip, alles schnafte.
Nun lasen wir am 12. Mai in der Welt am Sonntag unter der Überschrift "Ein Märchen geht weiter" einen vollseitigen Riemen, den Sie als "Creative Director" des Blattes über den angeblich bevorstehenden Deutschlandbesuch des kompletten Märchenprinzen- und -prinzessinnenpaares Haakon-Mette-Marit persönlich schreiben durften: "Die Märchenliebe zwischen dem künftigen König Norwegens und einem jungen, strahlend schönen Mädchen aus dem Volk mit unehelichem Kind und einer gebeichteten Vergangenheit ist acht Monate nach der Hochzeit mehr als intakt - das Verliebtsein der beiden schafft sofort eine Art von Intimität, die für Interviews eher untypisch ist", finden Sie als hochintakter Intimitätsforscher sofort heraus. "Wie sich die beiden Hoheiten anblicken, wie sie sich während des Gespräches berühren, sich gegenseitig lauschen und korrigieren", das, Poschardt, läßt Ihr kleines Journalistenherz hoch bis zu den Koteletten schlagen.
"So sympathisch können also Royals sein", schlußfolgern Sie fein und faseln fort: "verliebtes Paar…", "…er lacht laut auf und sie schmunzelt…", "…sich selbst treu bleiben…", "…sagt er lachend…", "…sie darauf, noch charmanter lachend…", "…wendet sich Kronprinzessin Mette-Marit liebevoll ihrem Mann zu…", "…seine Frau lacht…", "…lachend erklärt der Gemahl…", "…sagt die junge, hübsche, blonde Frau und blickt den bärtigen Mann stolz an…" usw. -
was aber, Poschardt, soll das sein? Post-Pop on 45? Ihr Bewerbungsschreiben für Das goldene Blatt? Wie? Das sei sehr wohl kritische Hofberichterstattung? Stimmt, da steht's ja: "Anders als viele Royals sieht man Prinz Haakon immer nur laufen, nie mit schnellen Sportwagen - so wie König Juan Carlos (Ferrari-Fahrer) und König Karl-Gustaf von Schweden (Porsche-Fahrer)."
Na, dann wollen wir mal lieber betreten schweigen. Und auf neue Schmierübungen eines frühhavarierten Sportwagenschnösels warten.
Charmant lachend und schmunzelnd: Titanic


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg