Inhalt der Printausgabe

Februar 2002


Humorkritik
(Seite 3 von 7)

Komische Kommunisten

Gerd Koenen, einst KBW, heute Kiepenheuer & Witsch, hat ein dickes Buch über "Das rote Jahrzehnt" geschrieben ("Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977" lautet der Untertitel), und zu meiner Verblüffung ist es streckenweise außerordentlich komisch. Wer nicht dabeiwar, macht sich keinen Begriff davon, wie viele Parteien, Fraktionen, Zirkel und Plattformen sich in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts hierzulande im politischen Abseits um "das authentische Erbe der bolschewistischen Revolution" rauften - u.a. DKP, KPD/AO, KBW, KB/ML, PL/PI, KPD/ML, MLPD, SB, AB, KAB, KB/Nord, RAF und Marxistische Gruppe sowie Spontis und Trotzkisten, letztere wiederum zerfasert "in ein ganzes Gestrüpp ineinander verhakelter Gruppen und Fraktionen", die sich "auf internationaler Ebene den Einfluß streitig machten", und zwar vornehmlich die Frankisten, die Lambertisten, die Healyisten, die Posadisten und die Pabloisten. "War es schon schwierig, sich in diesem Dschungel der konfligierenden Tendenzen auszukennen, so wurde die Lage durch eine Unzahl nationaler Spaltungen weiter kompliziert", berichtet Koenen. "In der Bundesrepublik z.B. zählte man 1973 zehn trotzkistische Gruppen mit ungefähr eintausend Mitgliedern insgesamt. Jede dieser Gruppen war ihrerseits durch mehrere (nach trotzkistischer Tradition unbedingt erlaubte) Fraktionen und Plattformen geteilt, die sich wiederum oft mit literaturwürdigen Selbstbezeichnungen schmückten wie BOLFRA (für Bolschewistische Fraktion) und KOMMFRA (für Kommunistische Fraktion)."
Ach herrje, herrjemine. Wieviel Lebenszeit und Energie ist damals vollkommen fruchtlos verpufft und verpulvert worden in Katzbalgereien und erbittertem Sektengezänk, während die Arbeiterklasse, statt die Revolution zu machen, mehrheitlich doch lieber den Opel wusch und nach Mallorca flog und die großen Bruderparteien in der UdSSR bzw. in China, Kambodscha und Albanien sich auf den Ergebenheitsadressen aus der Bundesrepublik ein Ei pellten. Das ist die Tragik der westdeutschen Kommunisten von 1967 ff., und gerade aus ihr, wie das ja oft so ist, resultiert die Komik, nachzulesen bei Gerd Koenen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt