Inhalt der Printausgabe
Februar 2002
Die Paralympics der Schlagersänger! |
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Wahrscheinlich ist nur den wenigsten unter Ihnen bewusst, aus welchen Bestandteilen sich der Begriff "Para-Grand Prix" herleitet: aus dem französischen Grand Prix nämlich, was soviel bedeutet wie "große (Eintritts-) Preise, (Boxen-) Luder, quälender (Motoren-) Lärm", und der lateinischen Silbe para, i.e. zugehörig, daneben. Als gebräuchliche Eselsbrücke empfiehlt sich das Wort Paragliding: "Mit einem Gleitschirm danebenfliegen und sich alle Rippen brechen" (Altphilologe Heiner Geißler). |
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Unabhängig vom Namen aber ist der Para-Grand Prix d'Eurovision, genau wie die deutsche Vorausscheidung am 22. Februar in Kiel, ein Wettbewerb, bei dem Playback-Sänger und Schlagerfuzzis trotz ihres Handicaps einmal im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen und sich unter den Augen eines freundlich interessierten Publikums im Wettkampf messen. | |||
TITANIC - offizieller Sponsor des Para-Grand Prix 2002 | |||
Nach Lektüre der einschlägigen Boulevard-Presse (Bild am Samstag, Bild am Sonntag, Bild am Montag) stellt sich allerdings die Frage, wer denn nun und in welcher körperlichen Verfassung in Kiel letztendlich auf die Bühne geschoben wird. Nino de Angelo ("Krebs") kann das Krankenhaus trotz seiner Salmonellen-Vergiftung aller Wahrscheinlichkeit nach rechtzeitig verlassen, auch die einundzwanzigjährige Russin Natalie ("schwere Kindheit!", gemeint ist vermutlich entweder der II. WK oder ihr 200 Kilo schwerer Vater) könnte bis zum Wettbewerb halbwegs erwachsen bzw. geschäftsfähig sein. Schlechter steht es dagegen um die "todgeweihte Grand-Prix-Hoffnung Katy Thomas" ("Leberzirrhose"): Sie, "26, muß ohne neue Leber sterben" und hat noch keinen guten Song! Zwar hat sie Michelle (zwergenwüchsig) mit dieser Anamnese zu Tränen gerührt (Hysterie), und der schmutzige alte Ralph Siegel (Samenstau) will ihr sogar "ein Lied auf den Leib schreiben"; leider aber ist die naheliegende Rühr-Schnulze "Eine neue Leber ist wie ein neues Leben" bereits durch einen alten Hit von Jürgen Marcus (ebenfalls nicht die besten Leberwerte) blockiert. Zum Glück gilt wenigstens Bernhard Brink (Sodbrennen) bei Bild derzeit noch als gesund, allerdings bekommt er per SMS ständig Morddrohungen, seitdem er Stellung gegen seinen Konkurrenten Joey Kelly (Choleriker) bezogen hat, der ein paar aufdringliche weibliche Fans als "Monster wie aus einem Horrorfilm und das auch noch mit übergewicht!" beschimpfte. Seine überraschend einsichtige Kollegin Joy Fleming (Adipositaspositas) findet das "menschenverachtend, dann müßte ich auch ein Monster sein, und nebenbei gesagt auch Joeys Schwester Maite" (Adipositaspositaspositas). Flemings Kritik am irren Kelly teilt Corinna May (blind), obwohl die bei der Auseinandersetzung gar nicht dabei war und auch nichts gesehen hat: "Scheiße! Das ist unvereinbar mit der Friedensbotschaft des Grand Prix!" Wie dem auch sei, unsere besten Wünsche begleiten alle Teilnehmer: Möge der Schnellste gewinnen!
Herzlichst, Ihr
Martin Sonneborn |