Inhalt der Printausgabe
Dezember 2002
Humorkritik
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van Dannen, lebend |
Dergleichen ist mir kaum je passiert: Eine neue CD von Funny van Dannen nicht sofort nach Erscheinen zu kaufen. Mußte ich also ins Konzert und war - erst mal verblüfft: Kamen vor ein paar Jahren aus dem gleichen Anlaß zweihundert Menschen in unserer Stadt zusammen, waren's heuer gut fünfmal soviel. Eine Folge der Dannen-Coverversionen, die man von W. Droste über U. Lindenberg bis hin zu den ja leider nur schwer erträglichen Toten Hosen zu hören bekam? Als er den "Frauen dieser Welt" huldigte, raunte ich mit Blick auf die entzückte Weiblichkeit ringsum meinem Nachbarn zu: "Er könnte sie alle haben." Eine besonders aparte Dame hatte gelauscht und seufzte nickend: "Jaaaaaa!" Nein, nicht "Freundinnen müßte man sein" - welches einige Kerle um die Dreißig besonders inbrünstig mitsangen -, sondern der Sänger: seinen Charme, seinen Witz, seine Stimme müßte man haben, sein Talent, Songtexte mit zahllosen überraschenden Reimen zu schreiben. Oder sind es Chansons? Manche sagen: "Immer dasselbe." Aber es ist nicht einmal einmal das gleiche. Die sieben Silben eines Wortes wie "Schilddrüsenunterfunktion" als Refrainzeile sechsmal zum Schwingen zu bringen, das muß ihm erst mal einer nachmachen. Oder mit dem Lied "Kapitalismus" die umfassendste und komischste derzeit lieferbare Kapitalismuskritik zu schaffen. Oder über die letzte Sekunde vor der ewigen Dunkelheit zu singen, dabei irritierend leicht die Balance haltend zwischen der unvermeidlichen Sentimentalitätsdrohung, die darin steckt, und der Einhalt gebietenden Wehmut des Gedankens an den final cut; so einen Song zu schreiben, der unmittelbar und allen einleuchtet: das ist große Kunst. Daß seine Best Of-Auswahl, aus der der zweite Teil des Abends bestand, nicht die meine wäre, ist eine andere Sache, die strenggenommen auch niemanden etwas angeht. |
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