Inhalt der Printausgabe

Oktober 2001


Humorkritik
(Seite 3 von 6)

Po und Pop

Gerne, sehr gerne habe ich in Johannes Ullmaiers medial sorgsam aufbereiteter "Reise durch die deutschsprachige Popliteratur" gelesen, ein teils wohlwollend, teil polemisch kommentierendes Kompendium in schöner, ja allerschönster Aufmachung, das den Bogen vom heutigen affirmativen Selbstvermarktungspop à la Stucki-Barre bis hin zu den Anfängen der deutschen Beat-Dichtung in den 60ern schlägt. Eine beiliegende CD mit gut fünfzig Hörzitaten von Jörg Fauser, Jörg Schröder und Jörg Dieter Brinkmann über Götz, Biller und Kapielski bis hin zu Lebert, Lange, Berg & Co. macht die Zeitreise "Von Acid nach Adlon" (Ventil Verlag) aufschlußreich und interessant; ebenso wie der hervorragend bebilderte und kommentierte bibliographische Schlußteil, die "Swinging Gutenberg-Galaxis". Was für Bücher man doch zu ertragen hatte! Schon fast glücklich vergessen hatte ich die Publikationsoffensive des Dichters bzw. Nichtganzdichters Dieter Roth, dessen Name auf seinen Veröffentlichungen zwar sinnlos zwischen "Dieter", "Diter", "Dieterich" und "Carl Dieterich" hin und her schwankt, dafür war der Mann aber thematisch eindeutig festgelegt. Ich weiß gar nicht, über was ich mich da mehr freuen soll: über die Halsstarrigkeit der Rothschen Titelgebung über Jahre und Verlage hinweg oder über die Tatsache, kein einziges dieser Bücher selbst gelesen zu haben müssen sollen.
Dieser nämlich: "Scheisse. Neue Ge-dichte" (Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart 1966). "Noch mehr Scheisse. Eine Nachlese" (Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart 1968). "Die gesamte Scheisse. Gedichte und Zeichnungen" (Rainer Verlag, Berlin 1968). "Scheisse. Vollständige Sammlung der Scheisse Gedichte mit allen Illustrationen" (Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart 1972). "Frische Scheisse" (Mayer Verlag, Stuttgart 1972). "Frühe Schriften und typische Scheiße. Ausgew. u. m. e. Haufen Teilverdautes (sic!) von Oswald Wiener" (Luchterhand, Darmstadt 1973). "Die die gesamte Scheisse" (Rainer Verlag, Berlin 1973). "Die die die verdammte Scheisse" (Rainer Verlag, Berlin 1973). "Die die die gesamte Scheisse" (Rainer Verlag, Berlin 1974). "Die die die die gesamte verdammte Kacke" (Rainer Verlag, Berlin 1975). "Die die die die verdammte gesamte Kacke" (Rainer Verlag, Berlin 1975). "Die die die die gesamte verdammte Scheisse" (Edition Cantz, Stuttgart 1975). "Die die die die verdammte gesamte Scheisse" (Edition Cantz, Stuttgart 1975). Und der der der dann doch enttäuschende, schon erschöpfte Abschluß: "Gesammelte Werke. 40 Bde" (Edition Hansjörg Mayer, Stuttgart 1986).
Preisfrage: Was macht Mayer heute?


   1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt