Inhalt der Printausgabe

Oktober 2001


Humorkritik
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Lachen bei Stachtknopfdruck

Unter Protest meines Überichs amüsiere ich mich mitunter auf Christiane zu Doppelsalms "Mitmach-Sender" 9 live, vorm. tm3; genauer: über die sog. Casting-Show "Flash!" Grundmodus: eine Minute Karaoke pro Anrufer - allerdings ohne Playback. Tippsen, Trucker und sonstige singende Sägen berauschen sich am Kakao der Interaktivität. Dazu schnippt vif eine gewisse Mandana Naderian im "Takt". Konservenapplaus, Kulissenblinken etc. Dann fertigt die ehemalige Messe-PR-Fachfrau ihre Schützlinge im Stil einer humorbegabten medizinischen Bademeisterin ab. Ein Exilspanier verrät, in seinem Repertoire seien "ein paar ganz gute Lieder" enthalten. Naderian: "Warum hast du nicht eines gespielt?" Die Anrufer votieren für "Flash" oder "Trash" - "das bedeutet ›gut‹ oder ›schlecht‹" (Naderian) - und gewinnen etwas. Zum Schluß übergibt die ausgeschlafene Perserin an "den dicken Michael Koslar".
Der Moderator der sog. Game-Show "Alles auf Rot" - mit Schmerbauch, Riesenkragen und eingegelter Gesichtsbehaarung - nippt an "schottischem Apfelsaft" und revanchiert sich mit Preisgabe des Internums, seine Kollegin jobbe nebenbei "als Q-Tipp beim Elefantenproktologen". Dann spielt der "schmierige Etagenkellner" (Selbsteinschätzung) Karten, Würfel oder Memory mit seinen Telefonpartnern. Eine Partnerin beflirtet er als "kleines Luder". Haben die Anrufer Pech, erhalten sie zum Trost ein Buch mit dem Titel "Keiner hat gesagt, daß es leicht werden würde", verfaßt vom Dutzendsassa persönlich. Der anschließend a capella die Beatles in den Schmutz zieht und zigarrerauchend drei Sätze aus Dostojewskis "Spieler" rezitiert. "Zwischendurch wieder 'n bißchen hochziehn" - chrnnn! - und: "Wen hab ich dran? Frau Müller. Denken Sie sich mal eine Zahl zwischen eins und zehn" usw. - "Äh, acht." - "Neun, Frau Müller! Schade!"
So funktioniert das jeden Wochentag von 22 bis 0 Uhr. Was ist daran so schön? Die Sicherheit, mit der Naderian zwischen offenem Appell zur Selbstironie und versteckter Veralberung ihrer Opfer balanciert? Mein Mitleid mit jenem Heimkeyboarder, der seinen verpatzten Einsatz wie folgt erklärt: "Weiß nisch. Uff'n Stachtknopf jedrückt, kam aber nischts…"? Die kalkulierte Zotenparenthese, womit der Germanist Koslar die Plebejisierung einer einst diesbezüglich idiosynkratischen, ja hypochondrischen TV-Öffentlichkeit verifiziert? "Kult"-Kritik hin, "Trash"-Tralala her - ich amüsiere mich. Noch.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg