Inhalt der Printausgabe

April 2001


Impotente Walmörder


Liebe Titanic-Leser!

Aus gegebenem Anlaß möchte ich an dieser Stelle eine sehr eindringliche Warnung aussprechen: Bitte versuchen Sie niemals und auf gar keinen Fall, etwas, das Sie hier in TITANIC gesehen haben, zu Hause im Wohnzimmer nachzumachen!

Das gilt natürlich in erster Linie für die völlig niveaulose Beleidigung und gezielte Diffamierung von Prominenten, Päpsten, Belgien, irgendwelchen Arschlöchern, Joh. Rau, einheimischen Literaturnobelpreis- oder ausländischen Würdenträgern.


Martin Sonneborn, Chefredakteur
Martin Sonneborn   
Chefredakteur   

Nach über 20 Jahren routinierter Polemik mit z.T. sehr teuren Wörtern, nach diversen Gegendarstellungen und von den Beleidigten selbst vorformulierten Entschuldigungen, die wir immer gerne abdrucken, weil ihre Verfasser im Gegensatz zu anderen Autoren selten Honorar verlangen, dürfen wir uns wohl als Fachleute auf diesem Gebiet bezeichnen.

Japanisches Königspaar Japanisches Königspaar
Hilf- und stillose
Original-Beleidigung

Elegant und formvollendet;
da freut sich der Tenno!

Aus diesem Grund würde uns niemals ein derartiger Fauxpas unterlaufen wie gerade wieder einigen Amateurpolemikern aus München, die in beschämender und skandalöser Art und Weise den japanischen Thronfolger Naruhito, seine Frau Masako und das gesamte japanische Volk beleidigt haben: Da veröffentlichte die Redaktion des SZ-Magazins einen Titel mit dem Bild des kinderlosen Thronfolger-Paares, nicht ohne die beziehungsreichen Worte "Tote Hose" auf der - toten - Hose des Kronprinzen zu plazieren. Empörung in Japan, scharfe diplomatische Kritik und Einbestellung des deutschen Botschafters in Tokio waren die - völlig gerechtfertigte - Konsequenz.

Dabei hätte man sich all die diplomatischen Spannungen und Peinlichkeiten nur allzu leicht ersparen können, wenn man sich bei der Gestaltung des Titels ein paar Gedanken über die besondere Mentalität der verklemmten Walmörder im Fernen Osten erlaubt hätte; schließlich dürfte allgemein bekannt sein, daß der Japaner als solcher poetische Formulierungen und blumige Umschreibungen sehr zu schätzen weiß.

Daher können wir nicht umhin, die Formulierung "Tote Hose" als eine unelegante und plump ausgeführte Beleidigung zu sehen. Wieviel angemessener wäre es doch gewesen, per Schlagzeile höflich zu erfragen: "Will der Drache kein Feuer mehr spucken?" Bzw. mitfühlend zu bemerken: "Der (sehr kleine) Königstiger schläft schon so lang." Oder schlicht und einfach: "Kaputt wie Nippons Wirtschaft!" Soviel Platz für Feingefühl sollte unter der Gürtellinie schon sein; in Zukunft hoffentlich auch beim SZ-Magazin.


Herzlichst Ihr
Martin Sonneborn


PS: Bitte lassen Sie auch die Finger davon, zu Hause das TITANIC-Titelbild nachzustellen; selbstverständlich handelt es sich nicht um einen echten Osterhasen, sondern um unseren impotenten Verleger in seinem Bunnykostüm!


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg