Inhalt der Printausgabe
August 2000
Humorkritik
(Seite 7 von 7)
Schamoni, Strunk & Braun |
Schon seit einiger, ja schon langer Zeit verfolge ich mit einiger Sympathie die Aktivitäten des größtenteils Hamburger Szeneaktivisten, Sängers und Showstars Rocko Schamoni. Mir gefielen seine frühen Aufnahmen, als er noch, zusammen mit den Goldenen Zitronen "Hallo, ich bin Rocko Schamoni" sang, als er später, begleitet von "The Explosions And The Explosionettes", "Ich hab schon mal gelebt" röhrte, ich schätze ihn als amüsanten Dia-Vortrags-Entertainer ebenso wie seine Attitüde des allzeit charmanten Salonlöwen, des manchmal schwülstigen und oft overdressten Glamourkönigs - eine Rolle, die er sich in langer und zäher Arbeit recht passend zurechtgeschneidert hat. Nicht immer war das Ergebnis spektakulär überzeugend, seine letzte CD "Showtime" etwa, erschienen bei Trikont, hörte ich zwar gerne - zweifellos unterstützt der leicht abgeschmackte 70er-Jahre-Clubsound Schamonis nicht minder abgeschmackte Texte -, dennoch lasse ich im CD-Schacht gerne der Vorgängerin den Vortritt, "Galerie Tolerance" (Trikont), auf der "The silver bohemian" Schamoni unglaubliches Material dahersingt: "Junge Punx" heißt eine unentrinnbar sülzige, gleichwohl sehr klagende Ballade mit Texten wie saure Schlagsahne: "Der Weg führt nach Hannover / Und jeder weiß Bescheid / Auch viele Polizisten / Machen sich bereit // Ein Treffen der Gefühle / Die Fantasie regiert / Die Schönheit Eurer Jugend / Blendet und schockiert // Junge Punx / Wollen tanzen, wollen träumen…" etc., da ist dann wirklich kein Halten mehr, und doch hält man inne vor so viel stiller Größe. Wenig mag ich über den gerade erschienenen "Tatsachenroman" Rocko Schamonis berichten. In "Risiko des Ruhms" (rororo) bilanziert er im letzten Abschnitt: "Im Großen und Ganzen aber ist das Haltbarkeitsdatum für einen Popstar irgendwann ab dreißig überschritten, und man wendet sich anderen Dingen zu. Jetzt ist es zum Beispiel die Literatur." Und die wird es auch verkraften. Recht planlos, doch stets aufgeräumt und erzählbereit tobt Schamoni durch eine Lebensgeschichte, die wohl seine eigene sein könnte, wenn sie es nicht teilweise sogar wäre. Manches ist sehr komisch, vieles absurd, einiges auch verquast und schwer aushaltbar. Dafür ist dem preiswerten Büchlein aber sogar eine Mini-CD beigegeben, die Auskopplungen seiner jüngsten "Showtime"-Produktion enthält. In seiner raren Freizeit stülpt sich Schamoni einen Eimer über den Kopf und läßt sich, zusammen mit zwei gleichfalls kopfbedeckten Herren, fotografieren, nämlich für das Cover der neuen CD "Studio Braun-Gespräche II" (BMG Ariola). Anfangs hieß diese Telefonscherz-Combo noch Studio Bach, und ich empfahl deren erste Platte mit lustigen Telefonmitschnitten uneingeschränkt zum Kauf (TITANIC 5/98). Das soll für die zweite auch gelten, dreißig größtenteils kurze Gespräche sind zu hören, in denen die Komik zwar oft genug nur von den Studio-Braun-Anrufern geliefert wird (die angerufenen Opfer reagieren lediglich verdutzt), aber oft genug ist dies in seiner erfrischend rüpelhaften Art auch hochkomisch, etwa wenn sich der Anrufer auf die Stelle eines Seminarleiters mit ausschließlich zwei Qualifikationen bewirbt: "Pennen" und "Saufen". Schön ist auch der Telefonwitzservice "Der lachende Roland", der Witze per Telefon liefert; hier glänzt Schamonis Kollege Jürgen Dose zwar nur noch selbst, dies aber in so großartiger Weise, daß man die Person am anderen Ende gar nicht weiter braucht. Wer aber ist Jürgen Dose? Hinter dem eingängigen Namen verbirgt sich keineswegs nur ein weiteres Mitglied von "Studio Braun", sondern der Musiker, Komödiant und Radio-Fritz-Moderator Mathias Halfpape, der seine CDs mal unter dem Pseudonym Heinz Strunk, mal als Jürgen Dose in Umlauf bringt. Seine letzte, "Der Schlagoberst kommt" (Rintintin / EMI), stammt von Heinz Strunk und präsentiert eine schöne Sammlung von putzigen Musikstücken, munteren Monologen und liebevoll arrangierten Kurz- und Kleinsthörspielen, in denen etwa ein Zahnarzt seinen Patienten fragt: "Was glauben Sie eigentlich, was ich empfinde, wenn ich Zähne wie Ihre sehe?" Wunderbare Verhaspler sind zu hören, wenn Halfpape alias Strunk seine verhuschte Figur Jürgen Dose atemlos daherplappern und von seltsamen Familienauslöschungen berichten läßt, gelegentlich derer die einzelnen Familienmitglieder eins nach dem anderen an "Selbstentzündung" sterben und qualvoll in Flammen aufgehen. Ein andermal warten Dose und seine Mutter auf die Rückkehr des älteren Bruders Peter: "Oft denken wir gemeinsam an unseren älteren Bruder Peter. Ob er wohl nächstes Jahr wieder zurückkommt? fragt Mudder. Er ist vor fünf Jahren ins Fichtelgebirge gegangen und dort aufgequollen. (…) Im Fichtelgebirge gibt es fast nur Buchen und Tannen, höchöch. Oft lachen wir über diesen absurden Zustand und freuen uns, gemeinsam lachen zu können." Ich lache mit, nehme auch Strunks manchmal etwas unglücklichen Hang zum Fäkal-Obszönen billigend in Kauf, weil er mich dann prompt mit der erschütterndsten Rap-Nummer tröstet, die ich je über eine zerbrochene Männerfreundschaft gehört habe: "Das Auge sieht es, doch das Herz muß es glauben." Und das lacht einem dann doch reichlich. |
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