Inhalt der Printausgabe

August 2000


Humorkritik
(Seite 6 von 7)

Hennigs Selbstanzeige

Nicht alles war schlecht an der DDR. Sie hielt siebzehn Millionen Ostdeutsche per Zaun im Zaum, sie brachte interessante Zeitschriften wie etwa die Volksarmee hervor, und sie wird noch lange Jahre einer der bedeutendsten Rohstofflieferanten für die Kulturindustrie bleiben, zumindest was das Buch- und Filmgewerbe anbelangt. Zwar hätte "Alles nur geklaut" (Maro Verlag), der Entwicklungsroman des Berliner Autors Falko Hennig, tendenziell auch in der BRD spielen können, seine Kleptomanenjugend aber in einem Areal zu verbringen, in dem das An- und Beschaffen knapper Waren sowieso schon Volkssport war, wirkt ungleich komischer. Hennig berichtet erfreulich ostalgiefrei über Schule, Freizeit und Lehre, über sein Leben im Deutschen Osten, das von Beutezügen durch Kaufhallen und abgesperrte Westmüllkippen geprägt war, von selbstkritischen Stellungnahmen im Schulunterricht ("Bei den Verunstaltungen der Porträts im Geschichtsbuch handelt es sich nicht um politische Anspielungen, sondern nur um Krakeleien, die ich aus Langeweile gemacht habe"), von Loriot-Lesungen im Palast der Republik und von der Tatsache, daß die Tschechoslowakei der DDR ausgerechnet "in Bezug auf Gummitiere mindestens 100 Jahre voraus" war. Der dritte und letzte Teil des Buches, der vom Nachwendeleben im freien Westen und anderswo handelt, ist nicht frei von Verklärungskitsch, dafür bereiten aber die beiden anderen rechte Freude, etwa wenn Hennig von seiner nervenaufreibenden Tätigkeit als Setzer für die Volksarmee erzählt, der ungelesensten Zeitschrift der DDR: "Es gab in dieser Wochenzeitung auch ein recht schlichtes Kreuzworträtsel. Einmal, so erzählte mir Herr Süß, mein Mentor, wäre nach einer Sitzgelegenheit gefragt worden, ‚Hocker'. Bei der Auflösung eine Woche darauf hätte der Setzer aus Versehen ›Hoecker‹ gesetzt, was der Korrektor las und es in ›Honecker‹ verbesserte. Nun stand also in der Volksarmee als Auflösung für Sitzgelegenheit ›Honecker‹. Es schlug große Wellen, die Partei witterte eine riesige, reaktionäre Verschwörung, und alle Beteiligten bekamen viel Ärger. Sie bedachten nicht, daß niemand außer ihnen diese Zeitung las."




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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt