Inhalt der Printausgabe
Ai Weiwei – Goodbye Deutschland
Ai weia: Der Jahrhundertkünstler will demnächst Deutschland verlassen. Er fühle sich »hier nicht mehr wohl«, hasse die Berlinale, die Fremdenfeindlichkeit und die chinesische Nudelsuppe von Knorr. Deshalb zieht er bald in ein friedliebendes Land mit glorreicher Zukunft: England. Ein letztes Mal hat er sich mit Deutschland auseinandergesetzt. Dabei sind einzigartige Kunstwerke entstanden. TITANIC war zu Besuch bei der großen Finissage in seinem Berliner Atelier, das er »aber behalten will«.
[01] Goodbye Wurstland
Ai Weiweis wenig schmeichelhafter Abschied aus Deutschland folgt auf der Fußmatte. Bei diesem Kunstwerk wird man hin- und hergerissen zwischen den Wahrnehmungen des Künstlers und der Eitelkeit des Betrachters. Das stößt sicher vor den Kopf, aber auch nach vorn. Ai ist ein Nachvornestoßer, ein Dekonstrukteur, ein Wurstheini. Das doppelbödige und anspielungsreiche Werk wird demnächst in einer spektakulären Performance an Berliner Hunde verfüttert und vorher noch mit Rasierklingen ausgestattet.
[02] Payday
Erst hochgeschrieben, dann fallengelassen – insbesondere den Umgang des deutschen Feuilletons mit seiner Person kann Ai Weiwei nicht länger gutheißen. Aus Bergen minderwertiger »Blödpostillen« schuf das Universalgenie eine Skulptur von fragiler Monumentalität, mittels deren er mit der deutschen Medienlandschaft »abrechnet«. Nach seinem Umzug nach England erhofft er sich eine kunstsensiblere Behandlung durch »Daily Mail« und »The Sun«. Mit seiner Skulptur verweist Ai zugleich auf die Lebensumstände politisch Gefangener in seinem Heimatland: »Zeitungslektüre ist auch Folter.«
[03] FUCKSIE
Gefangen fühlte sich Ai Weiwei auch des Öfteren in Berliner Taxis. Insider munkeln gar, sie seien der Grund für den Wegzug des Dekonstruktions-Künstlers. Dabei wurde allerdings einiges aufgebauscht. »Aber jetzt kann ich es ja endlich sagen: Ich hasse sie einfach wirklich.« Das wird auch bei dieser Installation deutlich. Fast zufrieden schaut er, während er ein Feuerzeug an die von einem Kreuzberger Start-up gestanzten Holzschilder ansetzt und sie anzündet. Es ist auch eine Referenz auf die Amazonasbrände, die ihm Sorgen bereiten.
[04] Bye-bye Mao-Tao
Ai Weiwei in Rage: Deutschland ignoriert die eigenen Probleme (Rechtsruck, Klimawandel, Wegzug von Ai Weiwei) und flüchtet sich in Eskapismus, etwa in den Hype um die jüngst im Berliner Zoo geborenen Panda-Zwillinge Mao und Tao. Mit der siebenstündigen Live-Performance, in der er zwei Plüsch-Pandas bestialisch vernichtet, protestiert er dagegen. An Zwillingswesen kritisiert er »ihre unerträgliche Redundanz«.
[05] Rogue Regimes
Was Ai Weiwei noch mehr auf die Palme bringt: Palmöl und Deutschlands chinafreundliche Politik. Insbesondere die hiesige Wirtschaft krieche seinem Geburtsland richtiggehend in den Arsch. Von Hongkonger Widerstandskämpfern ließ er sich ein Set Bambusstäbchen (Symbol China) schnitzen, nahm zwei Kartoffeln (Symbol Deutschland) und versuchte, sie in Beziehung zueinander zu setzen, um seinen Gefühlen (Ohnmacht, Hunger) Ausdruck zu verleihen. Im ersten Bild sind die Kartoffeln auf die spitzen Enden der Essstäbchen gespießt, »damit will ich aussagen, dass Deutschland die Protestbewegungen in China bremst«, das zweite zeigt eine Kartoffel in Vaginaform, die ein Essstäbchen penetriert.
[06] Tasty Tower
»Ich mag halt einfach Schokoküsse und muss die alle vorm Umzug noch aufessen.«
Genial: Im Bild ist nicht Ai Weiei selbst zu sehen, sondern eine Nachbildung aus Wachs.
[07] Nothing left to lose
Ein Symbol des Wechselspiels von Kreativität und Massenproduktion: »Diese persönlichen Gegenstände des Künstlers sind von konkreten, höchst dramatischen Zeitläuften auf eine sehr intime Art und Weise abstrahiert.« (Kunstsammlung NRW) Also in Umzugskartons verpackt. Jedem Abschied wohnt ein Zauber inne. Ai, bye-bye!
Irmschler / E.Werner, Fotos: Thomas Hintner