Inhalt der Printausgabe

Michael Ziegelwagner

ERKLÄRS MIR, ALS WÄRE ICH 95

Komplizierte Sachverhalte schonend beigebracht


Warum wollen heute alle »Transgender« sein?
Was steht eigentlich so Tolles im Internet?
Wozu braucht der Körper Hämorrhoiden?


Warum ist die Kassenschlange hinter mir immer die längste?

Man kennt die Situation wie seine Einkaufstasche: Gerade hat man dem Fräulein an der Kasse freundlich befohlen, das verbilligte Katzenfutter im praktischen Zwei-Tonnen-Beutel aufs Fließband zu wuchten, und begonnen, in seinem Haarnetz nach der Lupe zu suchen, ohne die man die kleinen Pfennige im Portemonnaie nicht voneinander unterscheiden kann, da haben sich bereits fünfundzwanzig neue Kunden hinter einem eingereiht. Aber warum eigentlich?

Die wahrscheinlichste Erklärung: Senioren sind ein wahrer Magnet für wissbegierige junge Menschen. Nirgendwo kann man so von ihrem Erfahrungsschatz profitieren wie an der Supermarktkasse, und niemand will verpassen, wenn sie die Kassiererin über die korrekte Regalplatzierung der Sonderangebote aufklären (Lösung: alphabetisch) oder über die Gefahr von Blutvergiftung durch Nasenpiercings.

Warum gibt es Veganer?

Vielleicht hat sich der eine oder andere diese Frage schon gestellt: Wenn die Natur den Metzger erschaffen hat und Kühe, Schweine und Hühner aus so überaus wohlschmeckendem Material bestehen, warum verzichten dann manche Menschen freiwillig auf Fleisch und Tierprodukte? Nur, um uns Normale zu ärgern?

Früher, da hatte man Krieg und deswegen kein Fleisch, keine Milch, keine Eier. Das war ein Grund. Heute essen die Leute freiwillig vegan – wozu produzieren wir dann die vielen Schlachttiere, könnte man fragen, etwa für den Müll? – , und Krieg gibt es auch nicht mehr – wozu kriegen die deutschen Mütter dann Söhne, etwa fürs Schwulwerden?

Also, warum das vegane Theater? Die Antwort ist einfach: Damit die Zeitungen etwas zum Schreiben haben. Und damit von wichtigeren Themen ablenken können, die kleingehalten werden sollen (z.B. Modellbau).

Warum haben wir Angst vor Menschen mit anderen Hautfarben?

Das ist eine gute Frage. Über Jahrhunderte hinweg war die Normfarbe weiß – zumindest nannte man sie weiß, in Wirklichkeit war es eher ein schmutziges Rosa. Ausnahmen gab es nur im Krankheitsfall: Der Schlagfluss färbte die Menschen violett, die Pest schwarz, progressive Ideen grün und blau. Je schneller dann die Postkutschen und Eisenbahnen wurden, desto mehr fremde Menschen kamen zu uns. Und desto mehr Farben! Dass uns die vielen dunklen, gelben oder braunen Häute unheimlich sind, liegt daran, dass gewisse Farben negativ konnotiert sind – man denke nur an »dunkles Geheimnis«, »gelb vor Neid« oder die »braune Vergangenheit«. Warum ist letzteres eigentlich negativ konnotiert? Man muss wohl dabeigewesen sein, um mitreden zu können.

Wieso schadet es Kindern nicht, hin und wieder eine Ohrfeige zu bekommen?

Darüber gibt es durchaus unterschiedliche Meinungen. Manche Psychologen sind der Meinung, dass Gewalt grundsätzlich schadet. Ob diese zartbesaiteten »Seelenklempner« schon mal bei Starkregen mit fünf heulenden Bälgern auf die Ausgabe der Lebensmittelmarken gewartet haben, steht auf einem anderen Blatt.

Wie war noch mal die Frage?

Welche?

Wie funktioniert der Enkeltrick?

Diese Frage? Oder die, auf die ich oben schon geantwortet habe?

Warum wird man von jungen Frauen heutzutage vor Gericht gezerrt, wenn man ihnen unaufgefordert die Tür aufhält oder ihnen ein Kompliment macht?

Das kommt darauf an, wohin die Tür führt. Die Tür ins eigene Schlafzimmer könnte als sexistisch verstanden werden – obwohl man vielleicht nur andeuten wollte, dass die junge Frau da drinnen mal staubsaugen sollte. Auch bei Komplimenten ist Vorsicht geboten. Jüngere Generationen wissen oft nicht, dass »Duftes Fahrgestell, Zuckerpopöchen« nicht einfach ein billiger Spruch ist, sondern ein ironisches Zitat aus dem beliebten 1930er-Revuefilm »Huch, Herr Doktor!«. Den jungen Leuten fehlt dieses Wissen – und damit das Verständnis für solche Layer. Schuld daran ist der Ironieverlust, der mit dem Gebrauch sozialer Medien einhergeht.

Wieso feiern wir zwar jedes Jahr Halloween und anderen amerikanischen Blödsinn, vergessen aber zunehmend unsere eigenen schönen alten Rituale? Zum Beispiel das Hohefest des Heiligen Desideratus (19. Juli), zu dem man die Apfelbäume mit Griebenschmalz einschmiert und die Damen des Hauses mit einem traditionellen Hut aus Katzenfell in die Mitternachtsmesse robben?

Puh, sehr spezielle Frage. Das liegt möglicherweise daran, dass – …

Welche Spur auf der Autobahn ist die langsame und welche die schnelle?

Darauf gibt es eine lange Antwort und eine kurze. Die lange – …

Ist mein Arzt Jude?

Das weiß ich doch nicht! Ist das wichtig?

Warum führen wir nicht wieder die Todesstrafe ein?

Die Todesstrafe? Wofür jetzt wieder die Todesstrafe? Für zu laute Ohrstöpselmusik? Für inkorrektes Grüßen in der U-Bahn?

Warum kommst du mich eigentlich nie besuchen?

Nie? Jetzt bin ich doch da, oder etwa nicht? Mein Gott, es ist halt grad ungünstig bei uns in der Firma! Alle drehen durch wegen der vielen, äh, Bilanzen, meine Kollegin ist schwanger – von Zwillingen –, mein Chef ist in Therapie, und, äh, der Ficus im Büro ist echt anspruchsvoll – und – und – es sind nur noch sieben Monate bis zum Weihnachtsgeschäft und – …

War ich heute schon auf der Toilette?

Jaha! Allein vierzehn Mal seit Beginn des Gesprächs!

Schrei doch nicht so!

Ich schreie gar nicht! DU SCHREIST!

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Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg