Inhalt der Printausgabe

TITANIC UNFUG

Die perfekte Grippewelle

 

Statistisch gesehen ist sie nur noch eine Frage der Zeit: die durch Deutschland rollende tödliche Grippewelle.

Bis es soweit ist, kann sich jeder durch einfache, aber uneffektive Mittel vor einem ordinären Schnupfen schützen.

 

Erkältung? Darüber kann Schlagerstar Gunter Gabriel nur lachen: „Bin seit 20 Jahren nicht mehr erkältet gewesen – kann ich mir nicht leisten. Ich bin völlig pleite, hab nicht mal Geld für Anzieh­sachen! – Ganz schön groß, was?“ ­Gunter Gabriel („Hey Boß, ich brauch mehr Koks“, „Dicke Glocken soll man küssen“) ist eine Ausnahme: Im Schnitt „fängt“ sich jeder Deutsche 200mal im Jahr* einen grippalen Infekt. Da Krankfeiern mittlerweile brutal geahndet wird, schleppen sich die meisten verschnupft ins Büro – und stecken alle an: mit guter Laune, Endzeitpanik oder einer Auswahl von 200 verschiedenen Rhino-, Adeno- oder Corona-Viren. „Die Symptome sind immer die gleichen“, so Kirk Dulz vom Forschungszentrum für Immunkompetenz in Schwächeln, „erhöhter Puls, ein kribbelndes Gefühl in der Magengrube, man sieht alles durch die rosarote Brille – ich bin verliebt, hurra!“ In den meisten Fällen verschwindet ein Schnupfen nach gut einer Woche und hinterläßt nichts als ein durchseuchtes Taschentuchgrab in der Sofaritze und eine kurze Nachricht („Ruf mich nicht an, bin bei meiner Mutter. Jetzt hast du Zeit für deine Flittchen!“). Wovor Wissenschaftler sich fürchten: daß ein gewöhnlicher Schnupfenvirus zu einem Killer mutiert, der eine Pandemie mit mehreren hundert Toten auslöst.

 

Die Ansteckung erfolgt häufig über ­große Schleimklumpen, die schon bei Blickkontakt zu Schwindel, Reizbarkeit und Erbrechen führen können, und weder gegen Johannes B. Kerner noch Franjo Pooth gibt es bislang eine Impfung. Deshalb kann die Devise nur lauten: Vorbeugen ist besser wie Nachdurst. Beim Niesen entweichen Nasen­viren mit einer Geschwindigkeit von bis zu zwei Stundenkilometern und stecken jeden an, der mit weit offenem Mund vor einem steht. Wer auf eine Woche ungestörte Bettruhe Wert legt, sollte außerdem regel­mäßiges Händewaschen vermeiden und in der Hochsaison an den Haltestangen der öffentlichen Verkehrsmittel lutschen.

 

Ist der Infekt erst mal da, kann man nicht viel tun, die Wirksamkeit von Hausmitteln wie Rotweinbowle oder brühheißen Hoden­wickeln ist keinesfalls nachgewiesen. Wich­tig ist, viel zu trinken, viel zu schlafen und viel zu enge Unterhosen zu tragen (Durch­blutung). Oberstes Gebot ist, KEINES­FALLS Mutti von dem Infekt zu berichten, wenn man den Heilungsprozeß nicht durch stündliche Kontrollanrufe und Postpakete mit selbstgebackener Hühner­suppe gefährden will.

 

Glaubt man, die Symptome einer Killergrippe zu entwickeln (45 Grad Fieber, Unlust, Koma), ist schnelle ärztliche Hilfe angezeigt, wobei Allgemeinmedizinern oder Internisten unbedingt der Vorzug vor Tier-, Wund- oder Fernsehärzten zu geben ist. Hat man sich eine Killergrippe ­eingefangen, muß man mit Quarantänemaßnahmen rechnen: drei bis sechs Monate auf einem Feldbett in der örtlichen Mehrzweckhalle oder in ungeheizten Wehrmachtsbunkern, schon hat sich die Wahrscheinlichkeit, kalk­bestreut in einem Massengrab zu ­enden, ­signifikant erhöht bzw. halbiert, je nachdem, reine Glückssache. Dann sind irgendwann alle ausgestorben, und die Dino­saurier regieren wieder die Erde. Herrlich! Doch bis es soweit ist, gilt: Zwischen ­Grippe und Gerippe liegt nur ein Buchstabe.

 

*Druckfehler. Gemeint: im Leben

Fotostrecke: Die schlimmsten Viren im Überblick

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Fotostrecke: Hier stecken sich die Deutschen an

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Gärtner/Nagel

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg