Inhalt der Printausgabe
STOIBER - Eine Karriere
Die bekannte Geschichte verzeichnet keine Erscheinung wie ihn: Soll man ihn groß nennen? Jetzt, wo er (politisch) tot ist, zeichnet die Nachwelt ein neues, facettenreicheres Bild von Dr. Edmund Stoiber, dem grundsympathischen Fallbeil aus Wolfratshausen, dem erfolgreichen Ministerpräsidenten, nüchternen Landes- und brutal-egozentrischen Familienvater: ein vorbildliches Leben, eine mustergültige Karriere, wie sie beide hier nur angedeutet werden können.
Am 23. September 1941 wird Edmund Stoiber als Edmund Rodriguez Waldemar Stoiber in Kiel geboren. Sein Vater ist der berühmte Kunstmaler Alfonso »Al« Stoiber, der seinem jüngsten Sohn sein Redetalent und einen Hang zu modischen Frisuren vererbt. Schon als Vorschüler will Klein-Edmund nur eines: nach oben, Eis, ein Schaukelpferd, zwei Groschen für Kaugummi, den Endsieg und keine Juden in der EU. Vor Kriegsende verliert der kleine Wirrkopf seinen Vater im Gedrängel vor der Damentoilette – ein Trauma, das Stoiber zeitlebens verfolgt.
Sein Jura- und Bummelstudium verdient sich Stoiber durch Besorgungsfahrten für seinen politischen Ziehvater. Routine um die Mittagszeit: das Einholen von Leberkässemmeln für Franz Josef Strauß, der gerne ganze »Wagenladungen« Leberkässemmeln ißt. Am liebsten ißt das bayerische Polit-Urgestein seine Leberkässemmeln mit süßem Senf. Nur manchmal überkommt es ihn: Dann muß es ein scharfer Senf sein, am liebsten Löwensenf, wie ihn Stoiber hier direkt in der Löwensenffabrik in Düsseldorf abholt.
Nach seinem mit der Gesamtnote »Geht so« bestandenen Studium wird Stoiber Nachfolger von Fernseh-»Kommissar« Erik Ode. In der ersten und letzten Folge mit dem Titel »In dubio verknacken« stößt er als Kommissar Rex Gildo auf eine Großlieferung feinsten vakuumverpackten Guatemala-Kaffees, die auf völlig legalem Weg ins Land gekommen ist. Nach einer frisch aufgebrühten Tasse und einem leckeren Stück Zwetschgenkuchen stockt die Handlung für mehrere Jahre – das deutsche Fernsehen hat seine erste große Quotenkatastrophe.
Nachdem der bayerische Ministerpräsident Max Streibl über die sogenannte Verhängnisvolle Affäre (mit Uschi Glas) gestürzt ist, wird Schwiegersohn Stoiber sein Nachfolger. Feierlich schwört Stoiber vor den Kameras der Weltpresse seinen Amtseid: »Sei gegrüßt, Funktionsjackenträger vom Planeten Tchibo! Auch wenn Goretex draufsteht: Du schwitzt dir den Arsch ab, so wahr mir Gott helfe!« Der Landtag applaudiert flüchtend.
Nach Jahren des vergeblichen Wartens auf Filmangebote wendet sich Stoiber schließlich der Politik zu. Er meldet sich freiwillig zur CSU und wird bald Referent im Umweltministerium, wo er sich für die artgerechte Bullenhaltung einsetzt: Im Freistaat soll jeder Bulle Anspruch auf acht vollklimatisierte Quadratmeter ohne Kilometerbegrenzung haben. Nach einer Gesetzesnovelle aber sind Bullen Schweine und müssen mit deutlich weniger auskommen – Stoibers erste politische Niederlage.
Im Zuge der Steueraffäre um den bayerischen Bäderkönig Zwick (»Bäder-Zwick«) gerät Stoiber ins Visier der Ermittlungsbehörden: Er soll bei einem Besuch des Wolfratshausener Freibads im Jahr 1988 das Badekappengebot mißachtet und ins Nichtschwimmerbecken gepinkelt haben. In einer legendär gewordenen Pressekonferenz streitet Stoiber alle Vorwürfe ab und greift zum Äußersten, um seinen Ruf zu retten: »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, ich wiederhole: Ihnen, daß, äh, guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Dings!« Drei Wochen später wird er im Badezimmer eines Genfer Hotels beim Handtuchklauen erwischt: Der größte bundesdeutsche Politskandal ist perfekt.
Nach einem Jahrzehnt durchweg erfolgreicher Regentschaft in Bayern (Motto: »Laptop und Unterhose«) greift Edmund Stoiber 2002 nach der Krone auch von Deutschland. Nach einem Frühstück mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel wird er nicht nur mit 0,2 Promille in die Unfallklinik eingeliefert, sondern auch zum Kanzlerkandidaten der Union. Beim ersten deutschen Fernsehduell unterliegt der Bayer gegen den Amtsinhaber Gerhard Schröder. Der glatte Durchschuß im rechten Oberschenkel verheilt aber schnell, Stoiber verliert
die Wahl trotzdem 0:1.
Finis Stoiberis: Nachdem die »unschöne Landrätin« Gabriele Pauli (links im Bild) mit Bespitzelungsvorwürfen die Diskussion um Stoibers Nachfolge losgetreten hat und er in der Partei
immer weniger Rückhalt findet, gibt Stoiber auf. Nach vier Jahrzehnten in der Politik übergibt er das Amt des ersten Kassenwarts der SpVg Wolfratshausen an seinen Nachfolger, den Schwanthaler Theo, und zieht sich ins Privatleben zurück. In Zukunft wird er sich verstärkt seinen vielen Hobbys widmen, als da sind: Fernsehen. Wir wünschen guten Empfang!
Gärtner/Nagel