Inhalt der Printausgabe

Christian Meurer - Wie geht eigentlich… Horst Mahler? (2)

 

Den gesamten Text finden Sie in der gedruckten Ausgabe.

Bonusmaterial

Biermanns Kohle für Mahler:

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Auszug aus dem Biermann-Interview mit der niederländischen Wochenzeitung „Vrij Nederland“ vom 10.7. 1972 (1 Monat nach der Verhaftung von Baader, Raspe, Gudrun Ensslin und Ulrike Meinhof):

 

 

Frage: Herr Biermann, Sie haben die 10.000 ,- für ihren Fontane-Literaturpreis an den Rechtsanwalt Mahler überwiesen, damit westberliner Studenten sich vor westberliner Gerichten besser verteidigen können. Was würden Sie dazu sagen, wenn diese 10.000,- in die Kasse der Baader-Meinhof-Gruppe gewandert sind und sich in Schußwaffen verwandelt haben? Macht Ihnen das keine Sorgen?

 

Biermann: Nein.

 

Frage: Ist das alles?  

 

Biermann: Nein, aber Sie erwarten doch wohl nicht, daß ich mich von der Roten-Armee-Fraktion distanziere. Ich möchte nicht in den Orden linker Oberpriester aufgenommen werden, die der Baader-Meinhof-Gruppe ihren Segen verweigern. Lenin hat gesagt, daß der erste Schuß erst abgefeuert werden darf, wenn die Revolution losgeht. Die Kommunisten in der Baader-Meinhof-Gruppe setzten ihr Leben für die Gegenthese ein, nämlich, sie wollen beweisen, wenn nicht endlich der erste Schuß losgeht, die Revolution verschlafen und verfressen wird. Daß nun Leute ihr Leben für eine These aufs Spiel setzen, mag für das gebildete Publikum seine typisch deutsche Komik haben, aber immerhin hat die RAF wichtige Antworten auf die Frage geliefert, ob und in welchem Maße die Methoden der südamerikanischen Tupamaros in Westeuropa anwendbar sind. Und solche Erfahrungen werden nicht in Wortgefechten gemacht, sondern in praktischen Kämpfen. Billiger sind neue politische Erkenntnisse nicht zu haben. Linke Sekten können jetzt gemütlich bei einer Tasse Tee darüber schwätzen, daß Lenin Recht hatte, und gelernte Marxisten können jetzt ein halbes Lebenswerk darüber verfassen, daß die RAF scheitern mußte…mir fällt bei dieser Gelegenheit das Gedicht GEGEN DIE OBJEKTIVEN von Brecht ein, in dem es heißt:

 

Unsere Niederlagen nämlich

beweisen nichts, als daß wir

zu wenige sind

die gegen die Gemeinheit kämpfen

und von den Zuschauern erwarten wir

daß sie wenigstens beschämt sind!

 

Karl Marx wußte 1871 in London auch ohne Fernseher, daß die militärische Lage des Proletariats im eingeschlossenen Paris so gut wie aussichtslos war, er riet deshalb dringend von einer Machtergreifung ab. Als aber dann die Kommune in Paris ausgerufen wurde, erteilte Marx nicht wie ein deutscher Professor säuerliche Lehren, sondern solidarisierte sich leidenschaftlich mit dem Pariser Proletariat. Und selbst nach dem letzten Akt auf dem Friedhof Père Lachaise hielt er kein Referat über seine politischen Gegner innerhalb der Linken, die Blanquisten und Proudhonisten, weil sie das Volk von Paris in ein voraussehbares Blutbad geführt hatten, sondern er sicherte in seiner Schrift DER BÜGERKRIEG IN FRANKREICH die Erfahrungen dieser 72 großen Tage, Erfahrungen über die Diktatur des Proletariats, vor denen heute noch die Monopol-Bürokraten in den sozialistischen Ländern zittern. Wenn dagegen das Taschenformat der RAF, gemessen an der Kommune, wie lächerlich erscheinen muß, so können wir doch an der Haltung, die Marx vorgeführt hat, lernen, daß jede Kritik an andersdenkenden Genossen nur auf der Grundlage leidenschaftlicher Solidarität angemessen und brauchbar ist. Wenn alle Linken, die jetzt gegen die Baader-Meinhof-Gruppe sind, gegen den Kapitalismus kämpfen würden, brauchten die RAF-Leute sich nicht wie Krimi-Gangster mit weißen BMW-Kostümen verkleiden.        

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Die Begleitumstände der Fontane-Preisverleihung an Biermann für seine LP „Chausseestraße 131“ im Schloß Charlottenburg schildert ein Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 19. März 1969:

 

Vorn gab’s Preise, hinten Prügel. Vorn spielte eine der Preisträgerinnen, Christiane Edinger, drei Sätze aus J.S. Bachs Partita E-Dur für Violine Solo, hinten gingen rebellische Künstler zur konzertierten Schläger-Aktion gegen Beamte der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kunst über, die sich erstaunlich hart im Nehmen zeigten. Vorn konnte sich der Regierende Bürgermeister Klaus Schütz trotz Mikrophon kaum verständlich machen, hinten sorgte mit lauten Zwischenrufen einer der Preisträger, Peter Schneider, und sein Apo-Anhang, dafür, daß alle hören konnten, warum er den „Papiertiger“ Klaus Schütz verachte. Unter den hunderten echter Kerzen auf Kandelabern und  an den vier Kronleuchtern des langen Schlauchs der Eichengalerie des Charlottenburger Schlosses ging die Verleihung der Berliner Kunstpreise 1969 im Tumult unter. Apo unter Kerzen (…) Die Ansprache von Schütz unterbrachen sie oft mit dem Sprechchor: „Kohlen her!“ Schneider und der Fontane-Preisträger, der in Ost-Berlin lebende Wolf Biermann wollen das Geld (zehntausend bzw. fünftausend Mark) zur Förderung der revolutionären Bewegung stiften. In einem Brief an seinen Verleger Klaus Wagenbach, der für ihn die Urkunde in Empfang nahm, wobei es ihm als einzigem gelang, die Hand des an diesem hitzigen Vormittag nicht nur regierenden, sondern auch Geld austeilenden Bürgermeisters nicht zu ergreifen, schreibt Biermann:

„Da das Geld von den West-Berliner Steuerzahlern aufgebracht wurde, soll es auch Westberlin zugute kommen.“

Hatten sich die um Peter Schneider gescharten Schriftsteller und Künstler während der Rede von Klaus Schütz noch darauf beschränkt, die Worte des Regierenden mit Zwischenrufen zu stören, („Arbeiterverräter Schütz!“ „Arbeit für AEG-Turbine!“) so wollten sie zur Demonstration schreiten, als der in einer der letzten Reihen des langen Saals sitzende Schneider nach vorn ging, um Preis und Scheck in Empfang zu nehmen. Doch da schritten die auffällig-unauffälligen im schmalen Mittelgang postierten schweren Männer ein. Handgemenge, Boxerei. Hatten die im hinteren teil logierenden Gäste bisher kaum etwas gehört oder gesehen, so wurden sie nun in Nahkämpfe verwickelt. Wer keine Hiebe oder Püffe abbekam, wurde zwischen den beweglichen Stuhlreihen eingequetscht. Erst nach minutenlangem Hin- und Her, und nachdem man Peter Schneider die rote Vietcong-Fahne entrissen hatte, mit der er zu Klaus Schütz stürzen wollte, gelang es dem Preisträger, sich durch die wogenden Menge von Kameraleuten, Fotografen und verdutzten Gästen in die Nähe von Mikrophon und Blumen zu arbeiten. (…) Unterdessen war vorn die Preisverleihung munter weitergegangen, wie sich denn überhaupt keiner der Redner, weder Schütz noch einer der die jeweiligen Entscheidungen begründenden Juroren, durch Zwischenrufe stören ließ. (…) Nach dem Tumult wollte keiner mehr zuhören, als Othello Liesmann zum Abschluß der Feierstunde eine Sonate für Cello solo des Musik-Preisträgers Bernd Alois Zimmermann spielte. Eifriges Kommen und Gehen im Saal. In die Musik mischten sich die Stimmen der in den Vorräumen diskutierenden Gäste. Die wartenden Kellner wurden bedrängt, schon mit dem Ausschenken von Sekt und Orangensaft zu beginnen. Wer ungeduldig die Türen zu den Nachbarräumen öffnete, sah sich jedoch wartenden Polizisten gegenüber.

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg