Inhalt der Printausgabe

Teil 6/9

Sei kein Idiot, geh mit Gott!

Ohne Rücksicht auf Verluste hagelt es jetzt die verdiente Zugabe, indem das Beatles-Highlight »Hey Jude« mit größtmöglicher Rücksichtslosigkeit viertelstundenlang bis zur Ekstase christianisiert wird: »Naaaa naa naa nanananaaa, nanananaaa, hey Gott!«
So weit, so Gott. »Kommt auch in einer halben Stunde wieder, dann spielen wir das Programm noch mal von vorne!« verspricht Pfarrer Sonneborn dem aufgepeitschten Glaubensmob, dessen begeistertes »Gloria in excelsis deo!«, »Halleluja!« und »Vade mecum, satanas!« noch nach Sekunden durch die Straßen Erfurts weht.
Um so bedauerlicher, daß es dann doch nicht mehr zu einer weiteren Aufführung kommt, weil nach uns sofort »Ton Steine Scherben« auf die Bühne drängen bzw. Leute, die sich fast so anhören wie die legendäre Christenrock-Combo um Frontmann Rio Reiser (†), die mit so unsterblichen Gassenhauern wie »Macht kaputt, was euch kaputt macht«, »Keine Macht den Drogen« oder »Über jedes Bacherl führt a Brückerl« Churchpopgeschichte machte.
Zonendissident Zeller verprügelt derweil angebliche »Stasinazis«, die er »ganz eindeutig wiedererkannt« haben will, Pfarrhaushälterin Staniewski versinkt in stillem Gebet, und Dekan Rürup mischt sich unters Jungvolk, um den kritischen Dialog zu suchen, und ist schnell von einer Gruppe Halbstarker umringt:
»Hat man denn alles verstanden? Wie war es denn mit der Akustik? Zum Beispiel ›Zieht den Moslems die Pluderhosen aus‹?«

Kirchentagsimpressionen: zwischen laut und leise

»Die Pluderhosen, das zum Beispiel finde ich nicht so gut«, erwidert ein junger Lutheraner kritisch, »mit Nächstenliebe hat das nichts mehr zu tun. Haben Sie das schon mal gemacht?«
»Pluderhosen sind doch total umständlich«, schießt Bruder Rürup scharf zurück, »darin kann man überhaupt nicht laufen!«
»Ich weiß gar nicht, was das ist, Pluderhosen.«
»Das ist sowas ganz Weites, wo der Schritt im Prinzip unten sitzt...«
»Ach so, da unten, ja klar!«
»...wo man bei jedem Treppensteigen hinfällt. Das soll ein gut gemeinter Rat gewesen sein! Das war doch nicht böse gemeint.«
»Ja, dann, dann ist das doch wirklich witzig mit den Pluderhosen...«
Haben wir doch gleich gesagt.

Chorleiter Zehrer sammelt währenddessen die vor Konzertbeginn verteilten Fragebögen ein, auf denen wir das Christenvolk mit unbequemen Fragen aus der evangelischen Reserve locken wollen, und dann können wir einpacken. Verschwitzt, erschöpft, ausgepowert, aber glücklich. Für das traditionelle Versenken eines Cadillacs im Hotelpool fehlt uns diesmal die Kraft (und der Cadillac), die Erfurter Groupies sind unbezahlbar, und außerdem müssen wir rechtzeitig zur Abendandacht wieder in unserer Heimatgemeinde sein, zu künden vom Mythos Regionalkirchentag.

Die Joseph Beuys und ihr Publikum

Total genial: Abendmahl!

Was haben wir mitgenommen? Gute Gespräche, Mut und Kraft, Neugier und Vertrauen sicher nicht. Aber immerhin zehn kleine Fische aus Ton, zwei Tageszeitungen und einen halben Döner. Und die unumstößliche Gewißheit, daß dem Heidentum im Osten eben nicht dadurch beizukommen ist, daß v.a. auf Kirchentagen »jeder Hauch von Schwachsinn uralten Wahrheiten gleichgestellt« wird (Bischof Dyba). Sondern nur mit der Stalinorgel des christlichen Kabaretts, die man offenbar überall hinfahren und nach Belieben munitionieren kann, ohne daß es die gewöhnliche Christenseele groß jucken täte. »Sie wissen nichts und verstehen nichts; denn sie sind verblendet, daß ihre Augen nichts sehen und ihre Herzen nichts merken können« (Jesaja 44,18).
Eben.

 

Stefan Gärtner / Oliver Nagel

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Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg