Vom Fachmann für Kenner | August 2019

Komplett unredigiert!

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Remake

des Filmklassikers mit Demi Moore und Patrick Swayze: »Ghosting – keine Nachricht von Sam«.

Elias Hauck

Spiegelein

Wenn sich mein Telefon selbst im Spiegel erkennt, darf man das als Zeichen seiner Intilligenz deuten. Nicht jedoch, wenn es sich gleich anschließend eine viel zu eng sitzende Handy-Hülle aus dem Internet bestellt.

Teja Fischer

Sommerabend-Komplex

Auch wir ließen die Gardinen offen bei unserem Hollandurlaub, wir wollten teil sein dieser freundlichen Gesellschaft, die nichts zu verbergen hat. Doch schnell wurde ein gewisser Zugzwang merkbar - ist es aufgeräumt genug für die Betrachter? Bin ich zu nachlässig gekleidet? Hinter all den hübschen Präsentierzimmern gibt es vermutlich neonbeleuchtete Räume mit Resopalmöbeln, dort sitzt man Krumm und mit strähnigen Haaren in ausgebeutelten Jogginghosen, blafft herum, isst kalte Pizza vor dem Fernseher.

Miriam Wurst

Aussterbendes Handwerk

Daran hat wieder niemand gedacht: In Zeiten der Verglasfaserung der Republik und dem verstärkten Ausbau kabelloser Netzwerke hat die Zunft der Kupferdiebe einen wirklich schweren Stand.

Helge Möhn

Prominente Privat

Neulich stand in einem Berliner Buchladen zufällig Daniel Kehlmann neben mir. Wie alle Prommis umgibt auch Starautoren eine Aura des Unnahbaren, die einen dazu verleitet sich aufgrund der aprupten physischen Nähe sogleich über Privates Gedanken zu machen: Welches literarische Sujet weckt derzeit sein besonnderes Interesse? Was befindet sich in dem Jutebeutel von »dm«? Findet sein Sohn cool, was er macht? Was gab‘s zum Mittag? Hatte er schon Verdauung heute? Wenn ja, wie oft? Und wann? Und wo? Ich kann es ja jetzt verraten: »1000 ganz legale Steuertricks 2019«. Eine Dose Nivea-Creme, eine Flasche Dontodent-Mundspülung sensitive und zweimal Tinti-Badeperlen (blau und grün). Nein. Vegetarische Spinatlasagne für 6,49 Euro im Karstadt-Restaurant »Le Buffet«. Ja. Einmal. Um halb zwei rum. Auf dem Kunden-WC des Buchladens. Wo Kehlmann sich dann wohl doch nicht getraut hatte, mich einfach so von der Seite anzuquatschen.

Daniel Sibbe

Mobilitätskritik

Viele Leute sagen, dass Witze über die Deutsche Bahn durchgekaut sind und der »Zug« echt »abgefahren« ist. Aber das ist ja mein verdammter Punkt: Der Zug ist eben nicht abgefahren.

Antonia Stille

Aus Gründen,

über die ich mich ausschweigen möchte, wollte ich jüngst 500 Bällebadbälle bestellen. Gleich die erste Kundenbewertung echauffierte sich, im Paket seien aber nur 478 Bälle gewesen, worauf mir die Lust an der Order verging. Nicht wegen der fehlenden 22 Bälle, sondern wegen der Gesellschaft, in die ich mich begeben würde.

Jasper Nicolaisen

Metaerotik

Als Philosophie-Dozentin findet es meine Lebensgefährtin total geil, Voyeure heimlich beim Spannen zu beobachten. Noch schärfer wird sie nur, wenn Ich ihr dabei zusehe.

Andreas Maier

Alternative Religionsgeschichte

Wenn die Römer damals ihre Verurteilten nicht gekreuzigt, sondern einfach an die nächste Wand genagelt hätten, sähe es heute in allen Bauernstuben etwas Anders aus. Und ein Gläubiger, der um den Beistand Gottes bittet, würde sich freilich nicht bekreuzigen, sondern mit den Händen so alberne Bewegungen machen wie ein Pantomime, der sich an einer unsichtbaren Wand entlang tastet. Insofern war es nett von den Römern, das sie uns diese Zumutung erspart haben.

Tibor Rácskai

Überlegung

»Falls ich diesen Abend nicht überleben sollte, möchte ich wenigstens so viele Delphine wie möglich mit in den Tod genommen haben« sprach er. Und bestellte nach acht Maß Bier und drei Schnaps eine Pizza Thunfisch ohne Käse.

Theobald Fuchs

Neues aus Brüssel

Laut eines Urteils des EuGH können alle Termine, die Sie bereits beim Dermatologen ausgemacht haben, ab sofort auch von etwaigen Nachfahren genutzt werden. Diese müssen explizit auch noch nicht geboren sein.

Felix Scharlau

Geh doch weg mit deinem Volleyball!

Ich frage euch: Wie viele nette Gesprächsrunden in Parks und an Badeseeen bereits durch übermotivierte Polizeianwärter und Auf-Teneriffa-haben-wir-das-jeden-Morgen-vorm-Frühstück-gespielt-Christophers zerstört wurden. Wie oft mussten sich Menschen mit eingezogenen Bäuchen und hilflosen Blicken im Kreis aufstellen, nur weil jemand »Nur zum Spaß und nur wer will, du auch Nadine, los jetzt!« einen Volleyball mitgebracht hat? Wir alle wissen, Mach-doch-mal-so-wenn-der-Ball-kommt-Moritz kennt keine Gnade – auch nicht, wenn man noch schnell seine Bratwurst essen will, menstruiert oder schwer depressiv ist. Denn: »So geht das. So. Schau. Dann pritschen und schön Volley. High five!« Immer dieses High five.

Jessica Ramczik

Rührend

Essbare Verpackungen, Mahlzeiten aus dem 3D-Drucker, Burger-Buletten aus der Petrischale – die Lebensmitteltechnologie hat in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte erzielt. Nur eins hat sie noch immer nicht auf die Reihe bekommen: Kakaupulver, das sich in kalter Milch klümbchenfrei auflösen lässt. Irgendwie beruhigend: Es gibt sie also noch, die schlechten Dinge.

Katharina Greve

Insektenleben

Man liest ja häufig vom Insektensterben in Deutschland aber ich kann euch beruhigen: die meisten Insekten sind nicht tot, sondern lediglich bei mir im Schlafzimmer und leben sogar ganz hervorragend von meinem Blut.

Cornelius W.M. Oettle

OK

Auf der Website von Noam Chomsky sollte man Cookies eigentlich ablehnen müssen, um sie besuchen zu dürfen.

Dominik Mauer

LinkedIn oder Tod

Nach langer Funkstille habe ich mich dazu entschlossen, meine Ex-Freundin und ehemalige Kollegin bei Xing zu adden, um ihr zu zeigen, dass sie mir auch beruflich absolut nichts mehr bedeutet.

Karl Franz

Familiengeschäft

Als mich meine Freundin am Telefon freudig mit dem Satz »Man ist soeben erwacht und hat sein Geschäft verrichtet« begrüßte, hätte ich ihr um ein Haar angeboten, sie könne mich auch zurückrufen, sobald sie ihren Toilettengang beendet hat. Offensichtlich muss ich mich noch daran gewöhnen, dass wir seit Kurzem Eltern einer Tochter sind.

Lukas Haberland

Modernes Kōan

Wenn ein Zen-Buddhist nach jahrzehntelanger Meditationspraxis in einem Erleuchtungserlebnis seine Ich-Identität, sein ganzes Selbst vollständig auslöscht, kann er dann noch Selfies machen?

Jürgen Miedl

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt