Vom Fachmann für Kenner | Februar 2017


Geistes Gegenwart

Laut Heraklit ist Bildung »nicht das Befüllen von Fässern, sondern das Entzünden von Flammen«. Andererseits: Man hat schon Fässer brennen sehen.

Dominik Wachsmann

Richtig traurig

Traurig sein, ja, aber bitte gesundheitsbewußt: Naturtrübsal blasen.

Burkhard Niehues

Ludwig und ich

Mit dem guten alten, von mir sehr geschätzten Beethoven habe ich schon einiges gemein: schlechtes Gehör, schwache Augen und zwei linke Hände. Deshalb habe ich dem Raum mit dem soeben fertig verlegten Laminatboden in Anlehnung an das Op. 133 auch den Ehrentitel »Die Große Fuge« verliehen.

Helge Möhn

Familientradition

Zu seinem runden Geburtstag durfte sich jeder von uns elf Enkeln ein bißchen Gold aus Opas Zahn schlagen.

Teja Fischer

Untere Mittelschicht

Manchmal binde ich meinem Chihuahua ein Frisbee auf den Rücken, verstreue Leckerlis auf dem Boden und tue so, als wenn ich mir einen Roomba leisten könnte.

Ernst Jordan

Offenes Ende

In meinem »English Film and Conversation Club« sahen wir zuletzt »Before Sunset«. Nach dem Film schwelgen die meisten der anwesenden Damen in Überlegungen, ob July Delpy und Ethan Hawke, die sich zufällig in Paris wiedertrafen, neun Jahre nach einer verzauberten Nacht, ob sie sich nun endlich bekommen werden, obwohl das Taxi, das Ethan, alias Jesse, zum Flugzeug zurück nach Amerika bringen soll, schon längst vor dem Haus bereitsteht. Alle hoffen, daß die beiden nun die Entscheidung für ein gemeinsames Leben in der Dachwohnung treffen werden. Der Mann in der Runde wirft die Frage auf, ob der Taxifahrer wohl immer noch unten warten muß.

Miriam Wurster

Blickroute, die

Die Distanz, die es einfallsreich zu überbrücken gilt, wenn einem ein Bekannter entgegenkommt und man sich schon zugenickt hat, aber noch zu weit entfernt ist, um Worte zu wechseln.

Robert von Cube

Das höchste Wursten

Das »höchste Wesen«, das Robespierre anstelle Gottes einsetzen wollte, um Atheisten wie Gläubige gleichermaßen zufriedenzustellen, und dem die Anonymen Alkoholiker heute noch ihre Gebete um Nüchternheit zu widmen pflegen, erinnert mich an veganen Wurstersatz: ein Gott soll es nicht sein, aber zu ihm beten können muß man trotzdem, und am besten, wenn es auch noch aussieht wie Bierschinken, Entschuldigung: ein gütiger Vater, meine ich natürlich.

Gaston Latz

Der Likes wegen

Bei Facebook kann man sich anstelle eines Bildes auch mit einem siebensekündigen Profilvideo schmücken. Ich hatte mir überlegt, ein freilich an den richtigen Stellen zensiertes Sextape aufzunehmen, wußte dann aber nicht, womit ich die restliche Zeit füllen soll.

Cornelius Oettle

Rückschritt

Die Gemälde von M. C. Escher beeindrucken mich immer wieder aufs neue. Sehr schade, daß heute niemand mehr so baut.

Tanja Schmid

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick