Vom Fachmann für Kenner | Juni 2015


Fallhöhe

»Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen«, sagt man. Aber, wie ich seit der plötzlichen Entlassung eines hochqualifizierten Mitarbeiters weiß: aus allen Wolken schon.

Uwe Geishendorf

Der Stoff, aus dem die Träume sind

Um meine Karriere zum gefeierten Literaten voranzutreiben, habe ich mich zu einem radialen… pardon… radikalen Weg entschlossen. Denn wieschon… wiesch… wie schon die Werke von Hemingway, Bukowski und Fallala… hoppla, hihihi… Fallada zeigen: Die besten Geschichten schreibt immer noch der Leser die Leber selbst.

Daniel Sibbe (1,4 ‰)

Life Pro Tip (2)

Verschenkt man eine Flasche Rotwein, sollte man sie an einer unauffälligen Stelle markieren – nur um zu sehen, bei wem sie nach einem Jahr wieder auftaucht.

Vivien Tharun

Das bäuerliche Bonmot

Eine eigene Meinung ist doch wie die eigene liebgewonnene Jauchegrube, in die man nach Lust und Laune hinabsteigen kann, um sich für den Rest seines Lebens in stinkenden Fäkalien zu suhlen und zu wälzen.

Sebastian Klug

Wirkungslos

Als die Tage länger wurden, es plötzlich auch tagsüber draußen hell blieb und die Natur zu neuem Leben erblühte, ließ ich mir vom Doktor ein starkes Depressivum verschreiben, aber dennoch ging es mir gut. Auf die Pharmaindustrie ist eben kein Verlaß. Also ging ich zum Quacksalber, der mich mit Nadeln stechen und mit Zuckerkügelchen abfüllen wollte, doch schon der Anblick dieses schafgesichtigen Schwachkopfes hat mich so dermaßen deprimiert, daß ich augenblicklich an Selbstmord dachte. Ein Hoch auf die Alternativmedizin!

Tibor Rácskai

Kopfkino

Die Zahnarzthelferin hat meine Ahnungslosigkeit hinsichtlich der Notwendigkeit einer professionellen Zahnreinigung schnell erkannt. Sie holt einen bedruckten Pappzylinder herbei und erläutert mir den Verlauf einer Parodontose. In der ersten Illustration ist ein gesunder Zahn zu sehen, fest verankert in rosigem Zahnfleisch. Im nächsten Bild beginnt sich Zahnstein einzunisten. So geht es weiter, und zuletzt lappt das welke Zahnfleisch zur Seite, der Zahn sitzt locker. Vor meinem inneren Auge setzen sich die Bilder folgerichtig fort: ein Kiefer ohne Zähne, ein Plastiknapf mit passierter Nahrung, ein Sarg wird in die Gruft hinabgelassen, Raben krächzen. Ich entscheide mich für das Leben, zu lediglich 85 Euro.

Miriam Wurster

Formalitäten geklärt

Mit dem Aufstellen grundlegender WG-Regeln, Putzplan etc. hat unsere Wohngemeinschaft eindeutig einen großen Schritt nach vorne gemacht. Jetzt können wir uns endlich in Ruhe auf die abstoßenden charakterlichen Eigenschaften der Mitbewohner konzentrieren.

Wanja Lindenthal

Vorhaben

Ich will einen indischen Porno drehen. Arbeitstitel: Komm auf den Punkt.

Thomas Spitzer

Dumpstern für Dummies

Handschuhe und Greifzange immer in Griffnähe, erstaunlich viele genießbare Lebensmittel und eine klare Rechtslage – mein Kühlschrank bleibt der ideale Ort zum Containern.

Verena Lindinger

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

ist nicht als Klardenker verschrien. Das liegt vielleicht daran, daß er der Logik wenig Respekt entgegenbrachte. In seiner »Wissenschaft der Logik« behauptet er nämlich, »daß das Negative ebenso sehr positiv ist«. Um die Aussage »A gleich Nicht-A« stimmen zu lassen, verwendet er einen simplen Sprachtrick: »Indem das Resultierende, die Negation, bestimmte Negation ist, hat sie einen Inhalt.« Ich versuch’s auch mal: »Indem das Nichts ein bestimmtes Nichts ist, ist es nicht Nichts.« Oder wie wär’s mit diesem Kalenderspruch: »Ein nicht Vorhandenes ist insofern allzeit vorhanden, als es dem Vorhandensein ein Gegenüber darstellt.« Ein prima Spiel! Zu einem Lehrstuhl für Dialektik wird’s wohl reichen, oder?

Ludger Fischer

Die kleinen Facebook-Tricks der Profis

Zwei Stunden lang ein Posting geschrieben, aber am Ende dann doch nicht gepostet. Folglich auch keine Erwiderung, auf die wieder zu posten gewesen wäre. Große Erleichterung, weil große Arbeitsersparnis. Wenn ich das öfter mache, bekomme ich am Ende noch Zeit raus.

Christian Y. Schmidt

Suchterkrankungen der Moderne

Als ich neulich zum Treffen wollte, spazierte ich die zwei Straßen zu Fuß, lediglich um an der verschlossenen Tür der Gaststätte einen Zettel zu entdecken: Die Gruppe sei spontan in ein anderes Lokal in der Südstadt gezogen, stand da. Und der Vorstand wäre derzeit wegen Verzögerungen bei der Ummeldung des Telefonanschlusses nicht erreichbar. Ich kehrte in mein WG-Zimmer zurück, in das ich für drei Wochen eingezogen war, bis ich eine neue Untermiete gefunden hätte, und studierte die Immobilienanzeigen in der Wochenzeitung, wo sich Leute wie ich zum Glück immer noch legal mit neuem Stoff eindecken können. Eine Woche zuvor hatte ich entschieden, daß eine Therapie ohne eine Teilnahme bei der wöchentlichen Sitzung der »Anonymen Umzugssüchtigen« keinen Sinn mehr machte.

Theobald Fuchs

Zauber der Präposition

Samstagsmarkt an der Konstablerwache in Frankfurt. Eine Dame: »Entschuldigung, stehen Sie hier an?« Der Angesprochene: »Nee, mir stehe hier rum!«

Christoph Virchow

Abgestumpft

Als ich noch viel zockte, war ich dermaßen in die künstlich erschaffene Welt vertieft, daß ich eines Tages den Helden eines Bürgerkriegscomputerspiels minutenlang auf einer Bank im Gebirge Platz nehmen ließ, um die virtuelle, herrlich designte Landschaftsidylle zu bestaunen. Etwas entsetzt von mir selbst legte ich dann schnell den Controller beiseite, erhob mich vom Sofa und ging erst mal in der echten Natur spazieren. Nach einer halben Stunde kehrte ich mit klarem Kopf zurück – wie abgestumpft muß ich damals gewesen sein, mitten im Krieg einfach eine Rast einzulegen?

Cornelius Oettle

Kann weg

Mit der ressourcenfressenden Brause Coca-Cola kann man – auch wenn es die Werbung verspricht – die Welt nicht schöner trinken. Dafür taugt der Zucker-Säure-Sud aber hervorragend als Rohrreiniger. Somit leistet Coca-Cola der eigenen Beseitigung Vorschub.

Michael Höfler

Empathie digital

Einerseits ärgerlich, daß mein uraltes Handy die Smileys von Smartphone-Nachrichten nicht erkennt und als leere Quadrate darstellt. Andererseits kann es mich auf diese Art für den Umgang mit Menschen mit dem Asperger-Syndrom sensibilisieren.

Leo Riegel

Gut angelegt

Schon toll, diese Natur: Anhand der Ringe unter meinen Augen kann man exakt das Alter meiner Tochter bestimmen.

Annalena Hagenah

Intime Szene #23

»Ich bin einsam«,
spricht sehr leise
in sein Glas
der Wirtschaftswaise.

Peter P. Neuhaus

Therapie-Erfolg

Neulich in einer psychotherapeutischen Sitzung zur Erstanalyse. Die Therapeutin, eine Lehrkollegin und ich. Ich beginne zögernd über meine Ängste zu sprechen, die Therapeutin hört aufmerksam zu und schreibt mit, ich erzähle, sie nickt interessiert, schreibt die Seite voll, blättert um, schreibt weiter, ich werde mit jedem meiner Worte sicherer, sie nickt zustimmend, tauscht mit der Lehrkollegin begeisterte Blicke aus, die Augen der beiden strahlen mit jedem Satz heller. Ich komme in Fahrt und berichte noch mehr, wir sind im Flow. Nach 20 Minuten bin ich fertig, möchte rauchen, atme schwer, die Therapeutin schmettert voller Freude die Diagnose in den Raum, die Lehrkollegin klatscht in die Hände, wir schauen uns freudig an und nicken: Ich bin tatsächlich ein lehrbuchartiger Fall, der eindeutiger nicht sein könnte. Bei allen Versagensängsten im Leben ist es schön, zumindest bei psychischen Defekten gute Leistung zu zeigen!

Regina Pichler

Verbrechensvorbeugung

Um unsere Wohnung bewohnt und somit für Einbrecher unattraktiv erscheinen zu lassen, ließen wir vor dem letzten Urlaub zwei Paar Schuhe vor der Wohnungstür stehen. Was soll ich sagen: Es hat ausgezeichnet funktioniert, niemand ist eingebrochen. Die Schuhe waren selbstverständlich nicht mehr da.

Sebastian Austerdal

Life Pro Tip (1)

Ewig habe ich mich gefragt, wie ich bei meinem neuen Großformat-TV das Gekrischel rund um sich bewegende Objekte etwas schärfer gestellt bekomme. Jetzt hab ich’s raus: einfach den Regler beim Menüpunkt »Sharpness« auf 0 stellen.

Tina Manske

Liebes Tagebuch

Heute in einem Erklärvideo die erste »Erika Mustermann« gesehen, die jünger war als ich. Lange geweint.

Torsten Gaitzsch

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg