Vom Fachmann für Kenner | August 2014


Stadtpunks

Auf dem Weg in die Stadt erkannte ich bereits aus der Ferne Punks, die Passanten auf Geld ansprachen. Als ich mit meinem Rad näher kam, forderte mich einer der nämlichen mit den Worten »Eyyyy, GEEELLLLD!« unmißverständlich auf, ihm doch solches in seinen Pappbecher zu geben, mit dem er mich fuchtelnd attackierte. Ich wollte gerade ansetzen, im Vorbeifahren den dekadenten Kalauer rauszuhauen, ich hätte kein Kleingeld, sondern nur Scheine, doch da brüllte es schon hinter mir: »Und dies ist übrigens kein Radweg!« Originell – aber Geld gab’s trotzdem keins.

Almuth zu Jeddeloh

Kreuzfahrt

Für das kommende Jahr plane ich eine ganz besondere Reise. Ich werde über die Weltmeere kreuzen, fremde Länder besuchen, mich unsterblich in sie verlieben und wenig später verfluchen, von Hafen zu Hafen dampfen – heute hier, morgen dort –, alle Grenzen überwinden, und das stets begleitet von einem gefährlichen Substanzmißbrauch – als Luxus-Borderliner!

Valentin Witt

Neue TV-Spielshow

B-Promis müssen indische Nationalgerichte raten. Titel der Sendung: Dhaali Dhaali.

Peter van Aubel

Geehrt oder gefedert?

Seit mich die Dozentin nach dem Seminar über Frauenbilder in der Höfischen Literatur mit den Worten verabschiedete, ich könne sehr gut mittelalterlich argumentieren, frage ich mich, ob ich auf dieses Kompliment nun stolz sein soll – oder ob es für meine (weibliche) Umwelt vielleicht doch viel besser wäre, wenn man mich für immer in ein dunkles Verlies sperrte.

Fabian Lichter

Technischer Rückschritt

Manchmal, an so Tagen, da habe ich das dumpfe Gefühl, irgendwo in meiner Nähe, vielleicht in meiner unmittelbaren Nähe, womöglich sogar in mir selbst werde eine besondere Art von Maschinerie in Gang gesetzt, gar nicht einmal raffiniert, sondern plump und schwerfällig, von unklarer Funktionsweise und unbestimmtem Zweck, mit Rädern, deren Unwucht das Gebilde erzittern läßt, und Kolben, die klagend durch Batzen längst eingedickten Schmierfetts walken, und rostigen Ventilen, die modrige Seufzer aushauchen. Eine Dumpfmaschine, die mich langsam aufzehrt. Wo ist der TÜV, wenn man ihn braucht?

Tibor Rácskai

Gentleman durch und durch

Clubtoiletten sind Orte absurder Geschehnisse. In Ermangelung freier Pissoirs entschied sich ein junger wohlgekleideter Mann, sein Geschäft ins Porzellan des Waschbeckens zu verrichten. Ob es nun auf gute oder auf eben gar keine Erziehung schließen läßt, daß er sich gleichzeitig die Hände wusch?

Frederik Skorzinski

Der Schatten des Kindes

Bei seinen Streifzügen auf allen Vieren in die geheimnisvollsten Ecken und Winkel seines Elternhauses hat unser Sohn (neun Monate) jetzt den Friedhof der vergessenen Bücher entdeckt und zielsicher das für ihn bestimmte Buch aus dem Regal gezogen. Dem elterlicher Fürsorge geschuldeten ersten Schrecken, daß es sich dabei um »Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« handelte, folgte schnell eine nüchterne Abwägung seiner Wahl. Vorteil: Das bereits angesparte Geld zur Finanzierung seines Studiums können wir nun selbst verprassen. Nachteil: David Bowie.

Carlos Ruiz Sibbe

Danke nachträglich

Tagsüber hetzt man von Verpflichtung zu Verpflichtung, darum nehme ich mir für meine morgendliche Verrichtung umso mehr Zeit: Während ich auf dem Klo sitze, lese ich ganz entspannt die Zeitung, gönne mir manchmal sogar einen Kaffee und lasse mich von nichts und niemandem aus der Ruhe bringen. Dies zur Erklärung und mit nachträglichem Dank für Ihr Verständnis, verehrte Mitreisende des Frühfluges Hamburg-Wien von Mitte Juni.

Thorsten Mausehund

Produktempfehlung (6)

Dafür, daß Pennys »Eldorado Pizza Tex-Mex feurig-pikant« das Produkt einer völlig verkommenen Lebensmittelindustrie ist, fabriziert unter dem Diktat des niedrigsten Preises in erbarmungsloser Weltmarktkonkurrenz ohne wirksame Kontrolle des Staates, hergestellt aus minderwertigen Rohstoffen von Menschen, die ihre Arbeit hassen und auch allen Grund dazu haben, dafür also schmeckt sie eigentlich ganz gut!

Mark-Stefan Tietze

Alter schützt vor Torheit nicht

Je älter man wird, desto unzufriedener wird man mit recht vielen, vormals guten, alten Dingen. Das gilt auch und gerade für Abonnenten von Zeitschriften, und wohl ganz besonders für Abonnenten dieser Zeitschrift. Und ehrlich gesagt denke ich, daß es bei mir dereinst wohl nicht sehr viel anders sein wird; ich stelle mir vor, wie ich in unbestimmter Zukunft einmal die Titanic aufschlagen und grämlich verbittert erkennen werde, daß früher alles sehr viel besser und humorvoller war; ich sehe es lebhaft vor mir, wie ich die Beiträge des einen oder anderen Autors einfach nur schlecht, ja sogar sauschlecht und vielleicht sogar unkomisch finden werde – apropos: Dieser Fachmanntext hier ist ja auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Wer druckt denn so einen Schwachsinn? Gibt es denn keine redaktionelle Kontrolle, die so einen Müll verhindert? Eigentlich eine bodenlose Frechheit. Danke, ich habe genug: ICH KÜNDIGE!

Sebastian Klug

Stilmittel

Mein Hobby ist es, kurze Geschichten zu schreiben, in denen ich gerne Naturmetaphern verwende. Manchmal flechte ich gar heimlich symbiotische Lebensgemeinschaften aus Pilz und Alge in meine Texte ein.

Ernst Jordan

Nachgelassen

Es ist nicht so, daß ich mit mir unzufrieden bin. Es ist auch nicht so, daß ich mich über so manchen Erfolg nicht auch heute noch freuen kann. Dennoch konnte ich mich als Schulmädchen mehr rühmen: Da hab ich sieben Jahre hintereinander je vier mal pro Jahr Geschichte geschrieben.

Christina Hahn

Tatort

Wenn man (warum auch immer) durch das Archiv der ARD-Mediathek browst, bemerkt man doch tatsächlich über dem jeweiligen Tagesprogramm der letzten Woche einen Link, der verspricht: »Sie vermissen Inhalte? Mehr Informationen finden Sie hier!« Wer hier unwillkürlich zuerst an jene kriminalpsychologische Theorie denkt, wonach der Täter Hinweise auf seine Verbrechen gibt, weil er insgeheim geschnappt und konfrontiert werden will, dem sei gesagt: Es lohnt sich definitiv nicht, dem Link zu folgen.

Wanja Lindenthal

Neologismus

In »Der futurologische Kongreß« spielt Stanisław Lem eine mögliche Futurologie anhand der Umformungsmöglichkeiten der Sprache durch: Wörter, die es noch nicht gibt, werden auf Bedeutungen hin abgeklopft, die sie in ferner Zukunft einmal haben könnten. Mit einem simplen Tippfehler ist es mir nun gelungen, diese Methode auf die Gegenwart anzuwenden: Der Großteil dessen, was sich im World Wide Web findet, läßt sich durchaus als netsetzlich bezeichnen.

Karsten Wollny

Fall gelöst

Jetzt endlich habe ich die Lösung, habe ich ein Rätsel geknackt, an dem sich bereits seit Hunderten von Jahren unzählige Denker (insbesondere im Wirtshaus) vergeblich die Schädel angehauen haben: Warum stößt man an, ehe man Bier aus den Krügen oder Wein aus den Gläsern trinkt? Die einzig logische Erklärung verkünde ich hiermit der Welt. Das Anstoßen dient dazu, daß man die Schluckgeräusche der übrigen Trinker nicht hören muß, denn das Schluckgeräusch eines anderen Menschen ist bekanntlich ekelhaft, abscheulich, es löst schlechte Laune aus und Aggressionen. Miteinander anstoßen heißt, gemeinsam und zeitgleich zu trinken, das eigene Schluckgeräusch übertönt das fremde Würgen und Gurgeln. Somit ist alles gut, und es schmeckt. Und das Allerbeste? Wenn dann nach dem Schlucken und Würgen alle Stammtischbrüder, die sich um den runden Tisch im hinteren Winkel des Wirtshauses versammelt haben, gleichzeitig aufstoßen – dann gilt exakt das gleiche. Bloß mit riechen statt hören.

Theobald Fuchs

Medizinisches Fachgespräch

Im abendlichen Wedding passiere ich auf der Straße zwei Migrationshintergrund-jugendliche, die sich im typischen Schulhofslang sehr ernsthaft unterhalten: »Das Mittel ist ähnlich zur Ursache.« – »Ach, dann nehme ich also etwas, was so aussieht wie meine Wirbelsäule?« Eine schönere und treffendere Beschreibung von Homöopathie habe ich noch in keinem akademikerverseuchten Bioladen gehört.

Katharina Greve

Verfahrene Situation

Schon seit längerem verwundert es mich, daß sich mein französischer Kollege so schwertut, deutsche Redewendungen zu begreifen und korrekt zu verwenden. Schließlich müßte er es selbst nur allzugut wissen. Einmal falsch abgebogen, schon ist man drin in der Bretagne.

Aiko Kempen

Der Tor und das Selbsttor

Daß Fruchtfliegen, anders als manche vermuten, tatsächlich keine Menschen sind, erkennt man ja schon daran, daß sie den Biomülleimer eben nicht panisch verlassen, nachdem man zur Abschreckung zwei Eßlöffel extrem scharfriechenden Fruchtessig hineingeschüttet hat; sondern sozusagen im Gegenteil.

Thomas Gsella

Ärgerlich

»So kommen wir nicht zusammen!« sagten die einen Anführungszeichen zu den anderen.

Teja Fischer

Brain-Gebäck

Baiser kann man geißeln als bloße Luftnummer aufgeschlagenen Zuckereiweißes, als Attacke auf den Zahnschmelz und Nährstoff für Körperwinde. Doch geht es bei diesem Gebäck um etwas ganz anderes: Man lehne sich zurück, vergesse alles Diesseitige, schließe die Augen, öffne die Lippen und drücke die Schneidezähne in das fragile Zuckergebilde. Unters Knirschen mischt sich grobes Krachen, wenn die Backenzähne die Grobstruktur in Fraktale zerteilen, und das sanfte Zermahlen dieser erzeugt ein Reiben wie von Schmirgelpapier. All diese schönen Geräusche sausen als Schallwellen durch den Mundraum, schwingen sich durch sämtliche Haupt- und Nebenhöhlen ins Gehirn, um dort von der Hirnrinde als Echo abzuprallen und sich mit neuen Schallwellen aus dem Mund zu einem unvergleichlichen Sounderlebnis zu verbinden. Kurzer Sinn: Das Baiser ist der Meditationstonträger, den man in den Mund schiebt.

Michael Höfler

Ich lasse mich scheiden

Meine Frau behauptet, ich sei schlecht im Bett und völlig emotionslos im Alltagsleben. Allerdings sei ich ein vortrefflicher Koch und ein herzensguter Vater. Diese Frau, das sollte man wissen, ißt in der Regel nur Schwarzbrot mit dick Butter drauf plus Blutwurst und weiß nicht, daß ich unseren Sohn regelmäßig schlage, wenn sie aus dem Haus ist. Kann sich jemand vorstellen, wie ich mich fühle?

Uwe Becker

Beobachtung in der Bahn

Wer mit dem Regionalexpreß unterwegs ist, für Umstehende gut hörbar telefoniert und dem Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung mitteilt, die anderen Fahrgäste seien ganz sicher alle »Dorftrottel«, »Provinzdeppen« und »Hinterwäldler«, wirkt glaubwürdiger, wenn er nicht in Frankenthal zusteigt, in Graben-Neudorf wieder raus muß und die ganze Zeit nur Pfälzisch spricht.

Dimitri Taube

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick