Vom Fachmann für Kenner | März 2010


List der Vernunft

Als Philosophie-Doktorand befällt mich gelegentlich akute Panik vor drohender Langzeitarbeitslosigkeit. Gestern las ich in meiner Mailbox plötzlich die Betreffzeile: »Fit fürs Amt II und IV.« Scheiße, dachte ich, woher kennen die meine Adresse, bevor ich überhaupt meinen Hartz-Antrag ausgefüllt habe? Es war dann aber nur die SPD, die in ihren Ortsvereinen Softskill-Seminare anbietet (»Öffentlichkeitsarbeit – modern und effektiv«). Ob ich mir das auf dem Amt eventuell anrechnen lassen kann?

Christian Dries

Ausprobiert

Der »High Quality«-Button bei Youtube funktioniert übrigens nicht bei Mario-Barth-Videos.

Lukas Münich

Frauenlogik

Geht es nach meiner Freundin, können wir heilfroh sein, daß wir keine Alarmanlage im Auto haben. Jedes Mal nämlich, wenn bei uns in der Straße eine entsprechende Sirene losgeht, fällt ihr ein Stein vom Herzen: »Unser Auto kann es ja nicht sein, das sie gerade klauen wollen!«

Sascha Dornhöfer

So lacht der Asiate

Japanischer Scherzspruch: »Haste mal ’nen Schulmädchenslip? Meiner ist noch im Automaten!«

Torsten Gaitzsch

Anonyme Humanisten e.V.

Bildungsbürgerkinder haben es nicht leicht. Weit öfter als »Lalelu« oder »Wauwau« hören sie die Wörter »Schopenhauer«, »Klopstock« und »Faust«. Sie werden brutale, verrohte Kerle, die dann später, mit vierzig erst, mühsam erlernen müssen, ihre Gefühle auszudrücken, in Selbsthilfegruppen wie dieser. Danke!

Johann (41)

Wie man in Augsburg Medizin studiert

Sonntagstrunk in meiner Stadtteilkneipe – Augsburg heißt die Stadt, Lechhausen der Stadtteil. Und was Augsburg für Deutschland ist, das ist Lechhausen für Augsburg. Die Kneipe führt den verheißungsvollen Namen »Spundloch«, Sonntagnachmittag kellnert meistens Isabell aus Thüringen. Sie belegt an der Augsburger Uni den interdisziplinären Studiengang »Krisen- und Konfliktbewältigung«.
Gast: »Und – wia lang muaschn nacherd no in’d Schual?« (In etwa: »Gnädiges Fräulein, läßt sich ein zeitlicher Horizont absehen, in dessen Rahmen Ihre Studien ihren Abschluß finden?«)
Isabell: »Noch eeneenholb Johre.«
Gast: »Ja, was bisch’n nochher?« (In etwa: »Mit welchem akademischen Grad dürfen wir Sie dann betiteln?«)
Isabell: »Olso, d’r offizielle Obschluss heeßt ›Master of Arts‹«.
Gast: »Was? Dann bisch Arzt?« Ja, Augsburg – es gefällt mir hier schon. Vor allem in Lechhausen.

Stefan Weissenburger

Steinkunde

Der Amethyst ist der Ungläubige unter den Halbedelsteinen.

Arno Lücker

Memento

Habe in meinem Notizbüchlein einen Vermerk gefunden: »12.12.  2:10  Memo an mich selbst: Tanzen ok.« Vielleicht war ich auf der Weihnachtsfeier doch nicht so peinlich, wie ich dachte.

Andreas Schriewer

Verbesserungsvorschlag

Alarmtöne sind ja selten was fürs Ohr, man soll ja nicht gerne hinhören, sondern sich in acht nehmen. Das Dumme dabei ist jedoch, daß ein sehr lauter, sehr unangenehmer, sehr durchdringender Klingel- oder Heulton die meisten Menschen in Panik versetzt: Anstatt sich geordnet evakuieren zu lassen, rennen sie kopflos umher, noch bevor sie überhaupt Gelegenheit bekommen, diesen tatsächlich zu verlieren. Die lästigen Feuer- und Amokübungen in der Schule zum Beispiel würden sicherlich um einiges besser aufgenommen werden, wenn das Geräusch dem Anlaß entsprechen würde. Ich stelle mir vor, daß anspruchsvolle und zugleich unterhaltende Musikstücke wie Marleys »I shot the Sheriff«, Morricones »Lied vom Tod« oder Mahlers »Kindertotenlieder« bei allen Beteiligten einen kalmierenden, vielleicht sogar kathartischen Effekt zeitigen könnten.

Tibor Rácskai

Psychohygiene durch Soulfood

Kaufen Sie sich eine »Seele mit Oliven« (Kamps), pulen Sie die Oliven raus – schon haben Sie eine reine Seele!

Julia Mateus

Sein und Halbzeit

Als ich mich neulich mit einem Philosophen über Fußball unterhielt, fragte der mich scherzhaft, wie real Madrid sei. Hermeneutiker und Vorstopper können über so was vielleicht lachen. Aber für mich ist das ganz schlechte Elfmetaphysik.

Thea Unangst

Darum auch so bekömmlich

In der Frankfurter Gaststätte Mosebach stritt man zu später Stunde wieder einmal über die anthropologisch grundierte und hochideologisierte Frage, warum denn der Mensch so gerne Bier trinke. »Man trinkt’s so gerne«, sprach mit einem Mal und wie erleuchtet der angesehene Experte Tom Hintner und beendete die Debatte damit jäh, »weil es mit seinen 4,8 Prozent den natürlichen Alkoholgehalt des menschlichen Blutes hat.«

Mark-Stefan Tietze

CO<sub>²</sub> gespart

Am Vorabend unserer Reise nach Hamburg zogen wir noch einmal durch die Münchener Kneipen. Die letzten Biere waren wohl nicht mehr gut gewesen, denn große Teile unserer achtköpfigen Gruppe litten auf der Hinfahrt unter immensem Stuhl- und Harndrang. Von den gesammelten Sanifair-Bons konnten wir locker den Treibstoff für die Rückfahrt zahlen. Ergebnis: eine großartige Öko-Bilanz – denn der Kleinbus fuhr ja quasi mit Ausscheidungen.

Helge Möhn

Das Selbst wird ergänzt

Von symbolischer Selbstergänzung spricht man in der Psychologie z.B., wenn ein BWL-Student, der danach strebt, ein erfolgreicher Manager zu werden, sich mit typischen Managersymbolen, etwa einer Rolex oder einem überbordenden Terminkalender, ausstaffiert. In dieselbe Rubrik fällt auch der unentdeckte Maler, der sommers wie winters mit Künstlerschal herumrennt. Die Psychologie will außerdem herausgefunden haben, daß diese Symbole dem unfertigen Selbst tatsächlich helfen können, seine Ziele zu erreichen. Ich bezweifle allerdings, daß mich als kleinen Schreiberling, der gern ein großer Schriftsteller wäre, so eine waschechte Schreibblockade wirklich weiterbringt.

Friedrich Krautzberger

Machtmissbrauch

Für Nachrichtenredakteure hat so ein drohendes Wetterchaos durchaus seine guten Seiten: Wenn man Freitagnachmittag ordentlich Panik mit Schneewehen und Glatteis macht, parkt man Samstagfrüh bei Ikea in der ersten Reihe.

Thomas Kuhlmann

Ex aspera ad astra

Das Außergewöhnliche an außerkörperlichen Erlebnissen, sogenannten AKE, ist in meinen Augen nicht, daß die betroffenen Personen sich von ihrer materiellen Realisierung lösen und in einen rein spirituell-geistigen Bewußtseinszustand übertreten, in dem sich der eigene Körper mit frappierender Klarheit von außen betrachten läßt. Das mag zwar so sein. Wenn ich allerdings im alltäglichen Raum-Zeit-Kontinuum diejenigen Personen, welche notorisch von solchen AKE faseln, unter die Lupe nehme, finde ich es bemerkenswert, daß auch nur eine dieser Personen nach Beendigung ihres AKE freiwillig in ihre verwahrloste irdische Hülle zurückkehrt.

Theobald Fuchs

Nix wie weg

StudiVZ hat ein gravierendes Problem. Sobald die Mitglieder dieser Online-Community ihren Hochschulabschluß in der Tasche haben, möchten sie nur noch eins: raus. In Fachkreisen spricht man deshalb bereits vom Tübingen unter den sozialen Netzwerken.

Magnus Maier

Trennungssorgen

Dem Restmüll-Container in meinem Innenhof folgte ein Altpapier-Container, dann einer für Verpackungsmüll, dann ein Container für Kompost und einer für Altglas. Darf ich eigentlich als Privatmann auch einfach einen Container da hinstellen? Ich liebäugle mit einem Prachtexemplar ausschließlich für Alt-Rhönräder.

Markus Hennig

Ende des Winters

Wie verhält man sich richtig, wenn man in eine Lawine gerät? Antwort: Der Lawine ist es vollkommen egal, wie man sich verhält. Sei einfach du selbst!

Sebastian Klug

Blickfang

Die oft zitierte Weisheit »Liebe besteht nicht darin, daß man einander anschaut, sondern daß man gemeinsam in dieselbe Richtung blickt« von Antoine de Saint-Exupéry dürfte sich wohl bei jenen Paaren besonderer Beliebtheit erfreuen, die sich keines Blickes mehr würdigen und die Abende stillschweigend vor dem Fernseher verbringen.

Hauke Prigge

Haushaltstip

Küchen stets im Halbdunkel wischen.

Volker Surmann

Gabriele Susanne Kerner

Eines Morgens am Frühstückstisch, ca. 1983, das Radio dudelt »99 Luftballons«. Die kleine Kerstin (ich) betrachtet die Brötchen, welche an der Oberseite einen etwas obszön anmutenden Schlitz haben und deswegen im bayerischen Familienjargon zwanglos als »Arschsemmeln« bezeichnet werden. Kerstin denkt sich plötzlich, daß es für diese Art Brötchen auch einen gesellschaftsfähigen Namen geben muß, und ruft in die Küche: »Mama, wie heißt die Arschsemmel eigentlich wirklich?« Die Mutter, gedankenverloren, auf das Radio deutend: »Nena. Aber wie die wirklich heißt, weiß ich auch nicht.«

Kerstin Richter

Synonym?

Kann man eine Promenadenmischung auch als Straßenkreuzung bezeichnen?

Katharina Greve

Von Vorteil

Neben mir im Bus saß ein Teenager mit besonders schlimmer Akne. So richtig, richtig schlimmer Akne. Quasi Kürbiskernbrötchenakne. Der wird an der Kasse mit Sicherheit nicht gefragt, ob er Punkte sammelt.

Nils Heinrich

Grüner grillen

Ein Freund erzählte mir von einem gerade noch verhinderten Skandal: Ein Ortsverband der Grünen hätte beinahe die Bestell-Liste für das jährliche Grillfest veröffentlicht. Seither überlege ich, was da wohl Inkriminierendes draufgestanden haben mag. Vielleicht:
300 argentinische Rindersteaks, tiefgefroren und mit dem Militärjet eingeflogen;
300 Sojaschnitzel von Monsanto;
20 Eisbärsteaks und 10 Robbenkoteletts, blutig;
je 2 kg Walleber und Foie gras von gestopften französischen Gänsen;
10l Aral Superbenzin als Brandbeschleuniger für den Braunkohlegrill;
2l Altöl zum Anräuchern der Sojaschnitzel;
2 5000-Watt-Elektrogrills, 4 Methan-Heizpilze;
10 Kästen aus den USA importierte Coca Cola in Einwegflaschen;
2 geliehene Porsche Cayenne, um den Müll nach dem Fest flott in den Wald zu fahren.

Erich Klepptenberger

Gemischte Gefühle

J.D. Salinger ist tot. Zunächst: Schock. Dann: Erleichterung. Schließlich war das sein erstes Lebenszeichen seit Jahren.

Sascha Kaub

Irritierendes Bukett

Es ist fast überhaupt nicht möglich, einen guten Bordeaux zu würdigen, wenn eben jemand in der unmittelbaren Nähe gefurzt hat.

Holger Christoph

Sichtbar pleite

In Berlin gibt es ein Perückenstudio, in dem man Perücken anprobieren und natürlich auch kaufen kann. Ich habe jedoch noch nie, wirklich noch nie einen Kunden darin gesehen. Nur die Perückenberaterin sitzt einsam hinter der Kasse und wartet. Man sollte dem Betreiber vielleicht fairerweise etwas verraten. Gynäkologen, Urologen, SM-Studios, Tierversuchsanstalten und Perückengeschäfte haben eines gemeinsam: sie sollten nicht über großformatige, Einblick gewährende Schaufenster verfügen.

Friedemann Encke

15 Sekunden Ruhm

Mein Autoradio: »A5, Frankfurt Richtung Kassel: Auf der Höhe Bad Homburger Kreuz fünf Kilometer stockender Verkehr.«
Mein Beifahrer: »Das sind wir! Wir sind im Radio!«

Christoph Virchow

Missverständlich

Angesichts von Themen und Qualität der Gespräche, die man in der Berliner U-Bahn mitanhören muß, frage ich mich, ob sich das Gros der Fahrgäste die Bandansage »Zurückbleiben, bitte« nicht ein wenig zu sehr zu Herzen nimmt.

Sidney Gennies

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt