Vom Fachmann für Kenner | Dezember 2010


Schubladenproblem

In der Straßenbahn. Mir gegenüber sitzt ein geschniegeltes Jüngelchen mit adrett gefönten halblangen Haaren, weißem gestärkten Hemd, schwarzer Anzughose und Krawatte: alles ein bißchen retro, aber eben nur ein bißchen. Während er in Gedanken aus dem Fenster schaut, beobachte ich ihn, bis ich mich endlich traue, ihm die Frage zu stellen, die mir auf den Nägeln brennt: »Sorry, bist du Britpop oder Zeuge Jehovas?«

Volker Surmann

Vom Handy lernen

Ich fahre meinen Tank immer möglichst leer und tanke erst nach, wenn die Reservelampe leuchtet. Wegen Memory-Effekt.

Christof Fromm

Wie sagt’s der Mediziner?

Bis vor ein paar Tagen lag ich wegen einer etwas delikaten Sache, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte, im Krankenhaus. Der behandelnde Arzt zeichnete sich nicht unbedingt durch Fachkenntnis aus, hatte aber eine ausgesprochen freundliche, einfühlsame Art, dank der ich mich während meines gesamten Aufenthalts bestens aufgehoben fühlte. Trotzdem bin ich noch ein wenig unschlüssig, ob ich ihn wirklich als meinen »Proktologen der Herzen« bezeichnen möchte.

Magnus Maier

Ekelwunschtraum

Im Bus einen fetten Batzen Schleim auf den Boden spucken und auf die empörten Blicke anderer Fahrgäste erwidern: »Wieso? Runterschlucken geht doch nicht, hier herrscht Verzehrverbot!«

Eduard Harfst

Den Umständen entsprechend

Meine Schwester hat sich aus Versehen ein Umstandskleid gekauft. Da sie keine Zeit hat, es umzutauschen, und zu wenig Geld, um sich neue Sachen zu kaufen, hat sie beschlossen, schwanger zu werden. Interessierte bitte melden!

Jürgen Marschal

Paradox

Die Arbeit frißt mich auf, aber dick werde dabei nur ich.

Tibor Rácskai

Der Feierabend (III)

Halten Sie sich die weihnachtlichen Festtage von allen familiären Verpflichtungen frei, steigen Sie statt dessen schon am frühen Heiligabend in die Wanne. Bleiben Sie unbeweglich drei Stunden liegen und denken Sie an alles, was in diesem Jahr gut gelaufen ist. Lassen Sie das kalte Wasser ab und füllen Sie die Wanne mit soviel heißem Wasser nach, bis Sie sich rundum wohl und geborgen fühlen. Denken Sie während der nächsten drei Stunden an alles, was in diesem Jahr danebengegangen ist. Geben Sie sich Ihren Träumen hin. Ohrfeigen Sie jetzt Ihre Vorgesetzte. Stellen Sie jetzt Ihrem jüngeren Kollegen ein Bein. Zerstören Sie jetzt den Firmenserver. Lassen Sie noch einmal heißes Wasser einlaufen. Holen Sie sich den Sekt aus dem Kühlschrank und verbringen Sie den Rest des Abends heiter.

Vera Henkel

Heimkind

Ich bin bei meinen leiblichen Eltern aufgewachsen, hätte aber alles dafür gegeben, meine Adoptiveltern kennengelernt zu haben.

Sascha Dornhöfer

Jedem das Seine

Den Mann vom Ordnungsamt, der mich des Falschparkens überführt hatte, beschimpfte ich wie folgt: daß er eine blöde, nichtsnutzige und debile Sau sei, die wahrscheinlich jahrelang keinen hochgekriegt habe und sich deshalb aus Frust diesem faschistischen Spießersystem unterordne, ja, damit noch Geld verdiene! Leider hat sie, die Sau, das wohl nicht mehr gehört, denn sie ging bereits zwei Straßen weiter ihrem schmutzigen Geschäft nach, weshalb ich auch nicht übermäßig stolz auf meine Tirade bin. Na ja – Spaß gemacht hat’s trotzdem.

Anna-Maria Hannoschöck-Merkle

Aus der Haarzupfkunde

In einem Prosecco-Gespräch unter Frauen trat nach einigen Diskursen über die sozialen, monetären und olfaktorischen Aspekte des Epilierens zutage, daß man mit Wachs nur dann eine erfolgreiche Entwurzelung erzielen kann, wenn die Haare eine gewisse Länge erreicht haben. Ergo: Bevor sich Haare wachsen lassen, muß man sie erst wachsen lassen.

Arntraud Holst

Touché!

Die Entrüstung, welche von einer Sozialpädagogin, der mein verschwenderischer Umgang mit  Lebensmitteln zu mißfallen schien, durch den Satz »Und in Afrika verhungern die Kinder…« ausgedrückt wurde, konnte auch mein sachlich entgegengebrachter Einwand »Nein, die meisten sterben an Aids« nicht mildern.

Aiko Kempen

Gute Frage

Schlangen! Wo sind eure Hälse?

Katharina Adick

Kriminalistischer Ansatz

Daß beim Arbeiten mit Buchscannern regelmäßig die Fingerspitzen erfaßt und somit quasi digitale Fingerabdrücke erstellt werden, sollte die Verfolgung von Copyrightsündern eigentlich stark vereinfachen.

Dominik Mauer

Tiefsinn flacher Becken

Wer derzeit in Osteuropa unterwegs ist, entdeckt neben den üblichen Spaßangeboten für Kinder wie Hüpfburgen und Fruchtgummiständen allerorten flache Wasserbassins, in denen riesige Luftblasen aus Plastik schwimmen. Beim Anblick der darin während des Einkaufsbummels zwischengelagerten Bälger fragte ich mich, ob die Eltern ihren Nachwuchs damit auf die großen Luftblasen vorbereiten wollen, die diesen im Leben später erwarten. Oder handelt es sich um eine pädagogische Maßnahme, vermöge derer den Kleinen nochmals der Schutz einer schwimmenden Hülle gewährt wird? Doch dann kam mir die einzige Deutung in den Sinn, die erklärt, warum man das Phänomen so häufig im trinkfesten Osten findet: Die Kleinen sollen lernen, daß man, wo es feucht und fröhlich zugeht, eine große Blase braucht.

Michael Höfler

Busfahrers Kind

Beim Durchblättern unserer Regionalzeitung stieß ich auf eine Anzeige mit dem Aufruf zur »Wahl des freundlichsten Busfahrers 2010«. Da man seinen Fahrer in der Regel nicht mit Namen kennt, war die Angabe von Buslinie, Zeit und Ort erforderlich. Mein Vater ist Busfahrer. Um ihm etwas Gutes zu tun und für ihn stimmen zu können, schrieb ich ihm eine SMS mit der Aufforderung, mir die nötigen Daten mitzuteilen. Seine knappe, aber deutliche Antwort: »Du kannst mich mal.« Hoffentlich kriege ich trotzdem noch raus, wann er wo mit welcher Linie gefahren ist – dann kann ich mich wenigstens über seine Unhöflichkeit beschweren!

Natalie Gaida

Tip für grausame Kanadier

Warum nicht mal mit einem Sack Hundewelpen auf Robbenbabys eindreschen?

Christoph Baborka

Es liegt was in der Luft

Daß meine beste Freundin, die Stewardeß, seit einiger Zeit ausschließlich auf Frachtflügen eingesetzt wird, muß ja nicht unbedingt Mobbing sein. Daß sie aber immer noch vor jedem Start vorführen soll, wie man die Schwimmweste anlegt – das finde ich schon ein bißchen schikanös.

Tanja Hötzle

Positiv handeln!

Als ich am späten Abend am Tresen von einem entsetzlichen Schluckauf gepeinigt wurde und meine Freunde mehrmals mit der bekannten Methode, mich zu erschrecken, gescheitert waren, trat plötzlich eine unbekannte Dame an mich heran, hielt mir die Nase zu und begann intensiv mit mir zu knutschen. Mein Schluckauf war sofort verschwunden und tauchte nicht wieder auf. Ich wünschte, alle Menschen würden sich stets auf derart unkomplizierte Weise gegenseitig helfen. Allerdings frage ich mich, ob eine hicksende Dame am Tresen die Therapie durch einen fremden Mann als genauso angenehm empfinden oder nicht doch wieder nur – erschrecken würde.

Karsten Wollny

Alle Jahre wieder

Ich: Wir können zur Weihnachts-Christmette gehen, oder – ah, hier, um fünf zur Christvesper!
Sie: Och ne, Essen gibt‘s doch später zu Hause.

Tina Manske

Sperrmüll und Profit

Fünfzig alte Matratzen sollten schnell zusammengesucht sein. Diese, an Seilen zusammengeknotet, einfach an einem Hochhaus herabbaumeln lassen und das Ensemble fotografieren.
Anschließend einen Brief an »Matratzen Concord« aufsetzen, 50000 Euro fordern oder mit einer Anzeige drohen, weil der Slogan »Europas größte Matratzenkette« ja wohl Hochstapelei sei.
Mit dem eingehenden Geld Scheidungs- und Unterhaltskosten begleichen – fertig!

Markus Großkopf

Rezeptidee

Panierte Pommes im Teigmantel, dazu Brotsalat der Saison.

Leo Fischer

Neues über Mozart

Über Mozart weiß man ja mittlerweile allerhand unnützes Zeug. Von wissenschaftlicher Relevanz dürfte dagegen meine Vermutung sein, daß der Bub ohne allzu engen Kontakt zu seinen Großmüttern aufgewachsen ist. Denn hätte er wie ich jedes Weihnachten das abendliche Gezeter einer bereits mit Buttercremetorte und »Eckes Edelkirsch« bei Laune gehaltenen Oma über sich ergehen lassen müssen, der Junge (ich) möge doch gefälligst etwas auf dem Klavier vortragen, wofür beteilige sie sich denn mit einem hübschen Sümmchen ihrer kärglich bemessenen Rente an meiner musikalischen Erziehung, um dann nach wenigen von mir gespielten Takten zu keifen, nun reiche es aber auch mit dem unsäglichen Geklimper, und man könne es wohl kaum noch abwarten, sie unter die Erde zu bringen – wer weiß, ob aus dem Salzburger Wunderknaben nicht doch ein recht bedeutungsloser BWL-Langzeitstudent geworden wäre?

Daniel Sibbe

Moderne Erziehung

Ich traf mich mit einem Freund in einer Cocktailbar, der seinen fünfzehnjährigen Sohn mitgebracht hatte. Umgehend schickte sich dieser Sohn an, einen für seinen hohen Alkoholanteil bekannten »Zombie« zu bestellen. Ich muß dem Vater wohl einen kritischen Blick zugeworfen haben, denn er reagierte prompt: »Keine Angst, der kriegt keinen Zombie – der will später noch kiffen!«

Saskia Wagner

Vorsichtsmaßnahme

Zu meinem Erschrecken habe ich festgestellt, daß das Haltbarkeitsdatum meines Pfeffersprays überschritten ist. Jetzt sollte ich das Döschen natürlich so schnell wie möglich ersetzen. Sonst verletze ich damit am Ende noch jemanden.

Thea Unangst

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt