Vom Fachmann für Kenner | April 2008
Keine dummen Ausreden mehr!
Liebe Frauen, habt Ihr schon mal drüber nachgedacht, daß Migräne allein im Kopf entsteht?
Florian M. Römer
Moralphilosophie
Immer zur Wahrheit zu stehen ist ja schön und gut, aber wenn man als Kunstlehrer in der 10. Klasse beim Portraitzeichnen einer Modell stehenden Schülerin erklärend mit dem Zeigefinger an der Nase herumfummelt und überraschend gesagt bekommt, der Finger röche so schön nach Zimt, so schiebe man es, wenn auch irritiert, so doch beherzt auf gewisse zuvor gelutschte Bonbons und verschweige, so einem die Ursache des Geruchs langsam dämmert, geflissentlich, daß das nur am Tigerbalsam liegen kann, mit dem man bei der Morgentoilette die Hämorrhoiden eingecremt hat.
Randolf Geisler
Schade
Daß Pornofilme immer so lieblos gemacht sind!
Sebastian Mecklenburg
Noch mehr Möglichkeiten!
Heute abend, wenn meine Frau schläft, werde ich wieder ins Internet gehen und mir ein paar neue Pfeiftöne für meinen Tinnitus runterladen.
Christian Dahlenburg
Stimmt nicht
»Hinterher ist man immer schlauer«, dachte ich, bevor ich mit dem Klebstoffschnüffeln anfing.
Rolf Karez
Reader’s Digest
Das Leben ist zu kurz für lange Literatur, hat Alfred Polgar einmal festgestellt. Daran muß ich immer denken, wenn ich mit dem Gedanken spiele, meinen bildungsbürgerlichen Pflichten nachzukommen und endlich einmal die »Buddenbrooks« zu lesen. Ich frage mich dann, ob es denn nicht möglich sei, den Verfall einer Familie nicht auf Hunderten von Romanseiten auszubreiten, sondern sehr viel kompakter und konziser zu schildern, reduziert auf das Wesentliche, ohne es an der gebotenen Dramatik mangeln zu lassen. Und da läuft doch neulich diese etwas korpulente Frau mittleren Alters in der Innenstadt an mir vorbei und ruft aufgeregt in ihr Mobiltelefon: »Mama ist überfahren worden! Von Papa! Auf dem Lidl-Parkplatz!« Na also, geht doch.
Maik Tändler
Politische Orthographie
Die Tätigkeit als Lektorin in einem feministischen Verlag erfordert ein außerordentlich hohes Maß an Gründlichkeit. Frau muß genau darauf achten, daß kein Wort phallsch geschrieben wird.
Andrea Maisy
Brieffreundschaften
Über nie angeforderte Werbepost von Banken und Versicherungen ärgere ich mich nicht mehr, im Gegenteil. Ich sende den Rückumschlag sogar gerne zurück, denn die Gebühr zahlt ja der Empfänger. Nur die Befüllung behalte ich mir selbstverständlich vor. So erhielt die Commerzbank von mir eine Preisliste von Flying Pizza und einen vollen Kniffelzettel. Gerne hätte ich gesehen, wie der Sachbearbeiter bei Delbrück Bethmann Maffei dem Briefumschlag den unausgefüllten Antrag für das »easyCredit Teambank Fairness-Paket« entnahm. Schade auch, daß wegen der Gewichtsbeschränkung Altglas und Biomüll nicht in Frage kommen.
Tobias Jelen
Wellness
Ich beschloß in genau dem Augenblick, nie wieder Massageöl mit Mandarinenaroma zu kaufen, in dem sich die erste Fruchtfliege in meinen Rücken bohrte.
Volker Surmann
Weitere Hoffnung dahin
Wenn der letztlich ganz klassisch, ganz à la façon durchgestylte junge Bahnhofspunk den in einem Herrenrock und mit schwarzen Fingernägeln an ihm vorbeistiefelnden, ungefähr gleichaltrigen Mittelalterfan mit eben jenem unerbittlich-unduldsamen Blick verfolgt, den einst sein Vater für langhaarige Hippies, dessen Vater wiederum für Neger reserviert hatte – ist dann, wo schon die junge Generation versagt am Auftrag, dem Gegenüber mit Achtung zu begegnen, gleich welches Erscheinungsbild es habe, die letzte Hoffnung auf universelle Toleranz und Menschlichkeit nicht endgültig dahin, die Menschheit ewiglich gefangen im Zirkel von Ressentiment und Unverstand? Wobei: Herrenrock ist wirklich schon ziemlich grenzwertig. Meine Meinung!
Leo Fischer
Vaterliebe
Wegen einer Erkrankung meiner Frau mußte ich die Wäsche der Familie bügeln. Infolgedessen erschien mein Sohn mit akkuraten Bügelfalten in seiner langen Torwarthose auf dem Platz. Er schien meinen diesbezüglichen Stolz jedoch nicht zu teilen.
Uwe Geishendorf
In Whisky veritas
Kneipenszene: Neben mir am Tresen ein unappetitlicher angesoffener Typ, der den ganzen Abend mit einem Kugelschreiber versaute Zeichnungen auf Bierdeckel kritzelt und dabei stieläugig vor sich hingeifert. Vor ihm auf dem Tresen eine fast leere Flasche Whisky, deren Etikettaufdruck ihn und sein Tun in Versalien beschreibt: SINGLE MALT.
Thorsten Mausehund
Reiseerlebnisse
Der Bruder meiner Freundin berichtete von einem Indienbesuch, bei dem er einem Früchtehändler versehentlich etliche Rupien zuviel gegeben habe. Er habe den geforderten und wohl ohnehin überhöhten Preis in der ungewohnten Währung zwar überschlagen, aber beim Aufrunden um eine Dezimalstelle verfehlt. Geahnt habe er dies erst, als der Händler sich ausgelassen bedankte und Tüte um Tüte mit weiterer Ware vollzupacken begann. Meine Freundin konnte noch einen draufsetzen: Ein Onkel, der vor Jahrzehnten in Frankreich ein deutlich mehr als fettes Trinkgeld – »Dankeschön, stimmt so« – auf den Tisch legte und vom Kellner mit fassungslosem, ungehemmten Dank überschüttet wurde, kam erst so richtig ins Grübeln, als er das Lokal verließ: Draußen stand, in Reih und Glied, die komplette Belegschaft des Restaurants, bereit zum Händeschütteln.
Martin Quetsche
Aus der Arbeitswelt
Wenn man sich wie ich seinen Unterhalt durch das Herumbringen von Kartons erkämpft, dann darf man wenigstens schmunzeln bei dem Gedanken, der sich aufdrängt, wenn man in einer Metzgerei neun Bürostühle abliefern muß. Nämlich daß hier wohl überwiegend Sitzfleisch verkauft wird.
Bernd Stege
Glück in der Liebe
Daß wir unsere Beziehungsziele noch einmal gründlich durchsprechen sollten, wurde mir an jenem gemütlichen Abend klar, als mir meine Freundin während eines Werbeblocks nonchalant mitteilte: »Wenn du jetzt sterben würdest, würde ich dir alle Pickel aufkratzen und erst dann den Notarzt rufen.«
Christian Martin
Erste Alterserscheinungen
In letzter Zeit passiert es mir immer häufiger, daß ich Namen vergesse oder durcheinanderbringe. Es wird doch nicht Horkheimer sein?!
Thea Un…äh…dings
Nicht immer nur die Risiken sehen!
Unter dem Einfluß des Digitalen hat sich unser Leben doch ganz schön verändert. Morgens früh ins Internet gehen, sich zwei oder drei Brötchen mit Serranoschinken sowie zwei Flaschen Kirin-Bier bestellen und gemütlich auf die Frühstückslieferung warten, während man das neue Album von der Nervensäge, die mal Prince hieß, runterlädt, in den Papierkorb schiebt und anschließend seine Pornos im Ordner »Neuer Ordner« neu sortiert – das sind alles Dinge, die hätte ich mir mit siebzehn nicht vorstellen können. Ich damals immer: »Orwell«, »kulturelle Katastrophe«, »Datenschutz« etc. Bescheuert!
Mark-Stefan Tietze
Unwillkommener Anruf
Anruferin: »Schön, daß ich Sie erreiche! Sie haben ja an einem Gewinnspiel teilgenommen und als kleines Dankeschön…«
Ich: »Helfen Sie mir! Schnell! Ich bin entführt worden, habe kein Guthaben und mein Akku gibt gleich den Geist auf! HILFE!«
Anruferin: »Augenblick, da muß ich erst nachfragen…«
Moses Wolff
Stop the heat
Wenn wir uns nach dem Winter alle gemeinsam nackt in die Sonne legen, sollten unsere weißen Körper genug Licht reflektieren, um die Klimaerwärmung um mindestens ein bis zwei Tage zurückzuwerfen.
Murmel Clausen
Leben ist Lernen
Ich sitze auf dem Klo – im 31. Winter meines Lebens –, und da fällt mir nach langem Nachdenken auf, daß Whiskas von »whiskers« kommt. Sunkist und Palmolive ging etwas schneller. Was für profunde Einsichten in die menschliche Existenz erwarten mich als nächstes?
Andreas Schriewer
Schriftstellerkind
Daß ein liebender Vater, der seinem Töchterchen eben einen langen Vortrag über Metaphern und deren Gebrauch gehalten hat, diesem für den Spruch: »Sieh mal Vati, der Teller ist so sauber, daß man davon essen kann!« eine Ohrfeige androht: kann passieren. Daß das spontan weinende Balg aber die Selbstironie in der Aufforderung: »Jetzt heul doch nicht gleich wie ein kleines Mädchen!« weder erkennt noch angemessen würdigt, sondern gleich noch lauter losjammert: das reizt mich schon wieder bis aufs Blut!
Michael Ziegelwagner
Aus der Wissenschaft
Die neueste Studie des kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen unter Leitung von Prof. Dr. Christian Pfeiffer hat ergeben, daß 71 Prozent aller überflüssigen Fernseh- und Zeitungsinterviews zum Thema »Kinder- und Jugendkriminalität« von der Institutsleitung gegeben werden.
Daniel Nierwetberg
Falsche Farbe
Neulich fahre ich mit dem Fahrrad stadteinwärts. An einer engen Stelle unter einer Eisenbahnbrücke kommt mir ein Schwarzer auf einem Fahrrad entgegen. Kurz bevor wir einander passieren, schüttele ich den Kopf und rufe: »Falsche Seite!« Darauf er: »Falsche Farbe!« Das war zwar politisch nicht korrekt – dafür aber ziemlich schlagfertig und souverän im Vortrag, so daß ich mir insgeheim eine ganze Portion Hochachtung nicht versagen mochte.
Christof Goddemeier
Pay-TV
Immer wenn man während einer Fernsehsendung gerade so schön am Einschlafen ist, wird man durch die ungleich lautere Werbung wieder geweckt. Um nachts endlich mal durchschlafen zu können, habe ich daher heute Premiere abonniert.
Sascha Dornhöfer
Letzte Instanz
Damit das ein für allemal geklärt ist: Der allwissende Erzähler, das bin ich.
Horst Mitesch
Smalltalk
An den schäbigsten Imbißbuden läßt sich eine Menge lernen. Zum Beispiel zur Frage, wie Smalltalk funktioniert.
Imbißmitarbeiterin: »Zum Mitnehmen?«
Kunde: »Nein, furchtbar kalt heute. Scheißwind.«
Mitarbeiterin: »Ja, windig. Aber sehr warmer Wind. Zu warm für die Jahreszeit.«
Kunde: »Ja, es ist zu warm, absolut!«
Bernhard Löwenberg
Tourismus 2.0
Statt im Urlaub überallhin meine Digitalkamera mitzuschleppen, schummele ich mich neuerdings auf Fotos von anderen Touristen. Daheim durchsuche ich dann flickr.com und andere Foto-Communities. Und schon ist mein Urlaubsfotoalbum komplett.
David Sowka