Vom Fachmann für Kenner | Mai 2007
Monitorgedanken
Legt man sich mittels eines Kumpelkumpels, der einigermaßen verstrickt ist in Halbwelt- und Junkieangelegenheiten, einen schicken PC-Flachbildschirm zu und freut sich ob des Schnäppchens kolossal, ist es angebracht, beim Besuch des Rathauses zwecks Verlängerung des Anwohnerparkausweises nicht in Fachsimpeleien à la »Sind Sie auch so zufrieden mit dem Monitor?« auszubrechen, sondern angesichts des identischen und übrigens seltenen Fabrikats in Demut zu schweigen und sich Gedanken über das soziale Umfeld der Rathausangestellten zu machen. Letzteres aber nur ganz kurz.
Veronika Bronski
Young Miss
ichts gegen stämmige Mittdreißiger, die sich als Transsexuelle aufbrezeln. Aber wenn sie anfangen, sich im Zugabteil mit Inbrunst der Lektüre von Petra und Young Miss zu widmen, tut es mir leid – Rübe ab.
Stephanie Rürup
Nach der Party
Als ich morgens in die Küche torkelte und sah, daß in der Flasche Ouzo noch ein kleines Schlückchen drin war, konnte ich mit dem Begriff Restalkohol endlich was anfangen.
Uwe Becker
Bastler gesucht
Nachts kann ich nicht einschlafen, weil mein Freund laut schnarchend neben mir liegt. Morgens wache ich nicht auf, da jedes Weckerklingeln von meinem Unterbewußtsein neutralisiert wird. Ich sehe nur einen Ausweg: Wer baut mir einen Wecker, der nicht klingelt, sondern schnarcht?
Katharina Greve
Elternliebe
Es ist kein geringer Schock, in mittlerem Alter von den Eltern via Anrufbeantworter offenbart zu bekommen, daß man als Säugling adoptiert wurde. Das Ende der Welt droht mit der Vorstellung, daß Mama und Papa nicht das sein sollen, was man all die vielen Jahre in ihnen sah. Noch größer ist jedoch der Schrecken über das Wesen seiner Alten, wenn man beim umgehenden Rückruf erfährt, man habe sich lediglich einen kleinen Scherz erlaubt, um beim wochenlang abgängigen Sohn verschüttete familiäre Gefühle zu wecken. Am Sonntag gibt’s Schweinebraten, sei pünktlich!
Volker Schwarz
Nach einer Dienstreise
Eine Woche lang vorzügliche Gespräche bei gutem Wein, ausgiebige Sektfrühstücke, die, allenfalls unterbrochen von Spaziergängen durch sonnenüberflutete Parkanlagen, wiederum in frohe Weinabende, Ausflüge zu brillanten Lesungen und spektakulären Konzerten mündeten, nicht zu sprechen von den Nächten; nach all diesem Trubel also wurde ich vom Intercity wieder in die Fußgängerzone jener Kleinstadt gespuckt, wo nur der einsame Punk in der Abenddämmerung stand, der mit seinem Kassettenrecorder bis in die umliegenden Seitenstraßen hinein alles beschallte. Eine dieser typischen rauhen Punkrockerstimmen grölte gerade die Worte »Freunde hab ich nie besessen« – treffender hätte mir die triste Realität nicht vor Augen geführt werden können, in der nun also auch ich wieder – vielleicht sollte ich ihn mal ansprechen.
Gregor Mothes
Schwere Entscheidung
Bei einer Demonstration besorgter Paderborner Bürger gegen eine in ihrem Einzugsgebiet geplante Müllverbrennungsanlage (MVA) lautete das schönste Plakat nicht etwas »MVA stinkt zu sehr« oder »Verbrennt das Zeug doch bei anderen«, sondern schlicht: »ICH WILL NICHT STERBEN!« Die Profiteure der Müllverbrennungsanlage stehen nun vor der fast unlösbaren Aufgabe zu entscheiden, ob eine Gegendemo besser unter dem Motto »Ich will auf jeden Fall sterben!« oder doch eher »Ich will aber, daß du stirbst!« stehen sollte.
Christoph Horst
Weitersagen
Wenn einen Mann und Kinder zum Geburtstag überraschen wollen, sollten sie ruhig laut rufen, man könne jetzt reinkommen, jedoch gegebenenfalls hinzufügen, daß das Geschenk in Reichweite der Tür stehe und leicht zerbrechlich sei.
Emily Wood
Clever
Eine ganz hervorragende Tarnung für eine VHS-Kassette mit einem Pornofilm darauf ist die Beschriftung »Phil Collins live«.
Ralph Tempel
Ein bißchen Freier
»Sex ohne Küssen! Das ist fast wie mit einer Prostituierten!« erzählte mir mein Freund Holgi begeistert. Seit Katrin Herpes habe, sei wieder richtig Pfiff in der Beziehung. Die letzten beiden Male habe er ihr danach sogar einen Fünfziger hingelegt.
Björn Högsdal
Wir haben die Ohren voll!
Auf der Straße spielen alle fünfzig Meter irgendwelche Straßenmusiker. Im Supermarkt läuft Supermarktmusik. Beim Friseur legt ein DJ auf. Den Zeitschriften liegen Gratis-CDs bei, und in Radio, Fernsehen und Internet werfen sie einem die Musik gleich megatonnenweise hinterher. Wenn ich die Musikindustrie wäre, ich kriegte auch die Krise.
Mark-Stefan Tietze
Linien
Ist nicht jede Linie, die nicht perfekt gerade ist, sondern mit leichtem Schwung sich krümmt, jede Kurve also ein Sinnbild für das Weiche und Geschmeidige, das wir in keiner anderen Erscheinungsform so sehr verehren und ersehnen wie im Körper der Geliebten, die wonnig auf zerknülltem Laken sich räkelt und ihre zarte nackte Haut den Kosungen des Sonnenlichts darbietet? So ist denn jede einzelne Biegung, jeder wogende Strich, jede Kontur nur ein Sinnbild für das Große und Wichtige, für Werden und Zeugen, für Gezeugtwerden und Empfangen! Jeder Wellenzug zeugt und empfängt die Schönheit, jeder Wolkensaum versinnbildlicht sublimste Ästhetik und Erotik! Nur die klassische Linie als solche: die Gerade – sie entbehrt jeden Zaubers, bei ihr passiert in gewisser Hinsicht überhaupt nichts, sie ist schlichtweg gerade und langweilig, geradezu abstoßend linear und ekelhaft ungekrümmt, eine bekackte scheißgerade Linie eben.
Theobald Fuchs
Studienfreuden
Wenn Sie nach der Lektüre von ungefähr 35 von hundertnochwas Kopien eines, sagen wir, Textes von Niklas Luhmann plötzlich ein seltsam blödsinniges, enthusiasmierendes Hochgefühl erleben, kann das natürlich auch an dem offenen Textmarker liegen, den Sie seit einer Dreiviertelstunde unter Ihrer Nase hin und her schwingen.
Tim Wolff
Das Prinzip Hoffnung
Erst an einem Vorfrühlingstag die ja nun wirklich sagenhaft volksverhetzende Bild-Schlagzeile lesen: »Um 1.50 Uhr schlich sie aus dem Gefängnis – SCHLIMMSTE TERRORISTIN FREI«; daran denken müssen, als ein paar Wochen später derselbe Diekmann (plus der wirklich unfaßbare Schmock Matussek) abendländisch aus einer katholisch-affirmativen ARD-Staatsfunkdoku zum Thema Ratzipapst herauslabert; sich, wo man schon mal beim Resignieren ist, an die jüngste öffentlich-rechtliche Spracherfindung erinnern: meines Wissens nach und, um das Maß für den Tag vollzumachen, aus dem mit Murks schon wieder längst vollgefüllten Koppe die letzthin geäußerte »Meinung« einer Bekannten einer Freundin eines Bekannten kramen, die die Wochenzeitung Freitag in die Hände gekriegt hatte und diese für, Zitat, »noch linker als die taz« hielt –
es mag an diesem einschlägigen Dauerfeuer liegen, daß mir um die von Greenpeace versprochene »apokalyptische Zukunft« nicht recht bange werden will.
Stefan Gärtner
Abgabeterminverlängerung
Wenn diese Babyklappen etwas größer wären, hätte man einfach mehr Zeit, sich zu entscheiden.
Sascha Dornhöfer
Versuch zum Dialog der Kulturen (1)
Der 17jährige Sohn eines Bekannten ist zu Besuch. Wir unterhalten uns. Das Telefon klingelt.
Er: Das Telefon klingelt.
Ich: Ja, stimmt.
Er: Willst du nicht rangehen?
Ich: Nein.
Er (entsetzt): Wie? Warum?
Ich: Weil ich gerade beschäftigt bin.
Er: Aber – wir reden doch nur.
Ich: Eben.
Er: Aber… (Panik steigt in seinen Augen auf) – das Telefon klingelt doch!
Ich (lauschend, kurze Pause): Jetzt nicht mehr.
Er starrt mich fassungslos an. Sein Blick irrt nervös umher. Vermutlich fürchtet er, daß ich ihn jetzt gleich in den Keller locken und dort aufessen werde. Die Stimmung entspannt sich auch im folgenden nicht mehr so recht. Dialog letztlich gescheitert.
Heiko Werning
Fürs Poesiealbum
Mach es wie die Politur
wisch die schmutz’gen Tische nur
Jörg Schedlinski
Der doppelt falsche Mann
Ein Kollege von mir durchstreift liebend gerne Antiquariate, besonders eins in Zürich, das sich nebenbei auch auf Büsten spezialisiert hat. Ein neu aufgetauchter auffälliger Kopf gleich bei der Eingangstür veranlaßte ihn, den ziemlich eigenbrötlerischen Inhaber darauf anzusprechen. Das sei ein Bildnis von Neville Chamberlain, beschied ihn dieser. Bei einem Streifzug einige Tage später stand zwar Chamberlain noch da, aber der Inhaber meinte zerknirscht, ein Fachmann habe die Büste überprüft. Es sei gar nicht Chamberlain. Der habe nämlich einen Schnauz gehabt. Noch schlimmer: Niemand wisse, wer das sein solle. Den Kopf könne er so kaum mehr verkaufen. Etwa einen Monat später kam besagter Kollege wieder in den Laden und fand eine ähnlich große, aber irgendwie anders aussehende Büste vor. Nach einigen spöttischen Bemerkungen des Mißtrauischen gab es der Inhaber kleinlaut zu: Er habe den falschen Chamberlain zu einem Bildhauer gebracht, der gipste einen Schnauz dran und meißelte »Thomas Mann« in den Sockel.
Ruedi Widmer
Beruhigend
Es heißt ja immer, Gott schließe keine Tür, ohne nicht auch ein Fenster zu öffnen. Gut für mich, denn nach meiner Exmatrikulation werde ich gewiß einige offene Fenster brauchen, um für meinen Lebensunterhalt sorgen zu können.
Christian Martin
Fuzzy-Logic
Als wir bei meiner Wohnung ankommen, fragt mich der Taxifahrer:
»Wär’s eigentlich über Dammtor schneller gewesen?«
»Keine Ahnung, ich glaube nicht.«
»Weil, ich fahre oft eine Dame von der City Süd in den Puff. Und die sagt immer, daß die Strecke über die Budapester Straße schneller sei.«
»Die muß es ja wissen!«
»Hahaha, ja, da haben Sie recht. Die muß es ja wissen!«
Marcel Vega
Bestseller?
Arbeitstitel für einen historischen Roman:
»Die ungleichen Brüder: Günther und Nebukad Netzer«.
Helge Möhn
Schwarzer Mann bitte melden!
Es hätte ein unbeschwerter Abendspaziergang werden können. Wäre ich nicht dem Schwarzen Mann begegnet. In einem dunklen Hauseingang hat er mir aufgelauert. Und mich mit einer Denksportaufgabe infiziert, an der ich heute noch laboriere.
Schwarzer Mann: »Haben Sie einen Euro?«
Ich: »Ich hab kein Geld!«
Schwarzer Mann: »Überhaupt keins?«
Ich: »Null!«
Schwarzer Mann: »Das nenn ich Pech! Mann ohne Geld bittet Mann ohne Geld um Geld. Aber wer weiß: Wenn wir uns das nächste Mal treffen, ist es vielleicht umgekehrt!«
Seitdem ertappe ich mich regelmäßig dabei, wie ich abends die dunklen Hauseingänge des Viertels inspiziere. Ich würde ihn gerne noch was fragen.
Hans Kantereit
Zwischenräumlichkeiten
Ich lasse mir seit mehr als einem Jahr die Haare wachsen. Nicht weil es so gut aussieht, sondern weil ich mir so die Zahnseide spare.
Thomas Heyen
In the Mix
Der von mir bei der Erstbenutzung als pfiffig und lustig empfundene Leucht- und Funkensprüheffekt meines neuen Mixers, des Moulinex Optiblend 2000, stellte sich leider nach ein paar Sekunden als Kurzschluß heraus.
Frank Scheller
Nicht persönlich
Meine Ex war immer sehr taktvoll, sogar noch am Schluß: »Das darfst du jetzt nicht persönlich nehmen, aber du bist in meinen Augen echt der allerletzte Mensch, versteh mich nicht falsch, aber du kotzt mich einfach nur an, ich mein, da soll jetzt kein falscher Zungenschlag reinkommen, doch so was Ekliges wie dich, das gibt’s – sei mir nicht böse – kein zweites Mal.«
Und klar, ich hab’s natürlich nicht persönlich genommen.
Christian Schroeder