Briefe an die Leser | Juni 2008


Und, Österreich!

»Österreich: Achtjährige von 12jährigem vergewaltigt« und immerhin gleichfalls »im Keller« (dpa) – trotzdem wär’s, grad angesichts Deiner ­aktuell weltweiten Pole position, ­na­türlich nur umgekehrt eine Nachricht gewesen. Wenn überhaupt.

Mit lautem ts ts:

Titanic

 

»Der Pharao. Verein für integrierte Pharaonen« (Wien)!

Erlaube uns, für die Wiederein­gliederung Deiner Mitglieder ein ­paar Bedingungen zu diktieren: 1. Ihr schleppt die Steine für den Bau unserer Garagenauffahrten. 2. Wenn uns beim Schlemmen von Stopfleber und Schwalbennestern ein Völlegefühl ereilt, reicht Ihr uns die Fasanenfeder. 3. Kleopatra kommt mal auf einen Kaffee vorbei.

Du weißt ja – diese Nase!

Titanic

 

Wenn Sie, Jürgen Trittin,

nicht so ein Vollblutpolitiker wären, was dann? »Wenn ich nicht so ein Vollblutpolitiker wäre, könnte ich mir vorstellen, Chefredakteur der Bild-Zeitung zu sein. Nirgends erreicht man so viele Leser auf einen Schlag. Und vielleicht mal mit anderen Themen als Verona und Franjo. Daß man dabei angenehmere Zeiten für den ­Arbeitsbeginn hat, entspricht mei­nem Biorhythmus.«

Wenn das Wörtchen »wenn« nicht wär’: Mag ja sein, daß es dem Biorhythmus eines Mittfünfzigers eher entspricht, mal an anderen Dosen als denen aus Alu zu schnüffeln; aber wenn Sie nicht so ein Vollblutpolitiker, zumal der Grünen, wären, wären Sie ja gar nicht in der Lage, die Art von Schlag, mit der man so viele ­Leser auf einmal erreicht und der Sie selbst mehr als einmal getroffen hat, einfach so zu vergessen.

Pack schlägt sich:

Titanic

 

Sie, Daniel Haas,

schafften es kürzlich in Ihrer ­Spiegel Online-Kolumne »Verstehen Sie Haas?«, sich vom Topthema »Früh­lingsbeginn« assoziativ zum Top­thema »Charlotte Roche« weiter­zuhangeln: Roches Roman­debüt lasse ganz Deutschland nach Körpersäften lechzen, welche bei Ihnen, Haas, jahreszeitbedingt und literweise in Form von Schweiß, Rotz und Allergie­tränen flössen. Dazu paßt dann Ihr Popeljournalismus, wenn Sie z.B. über scharfe Weiber fantasieren, die »hinter einer Birke oder Buche hervorspringen und mir das Nasensekret vom Gesicht schlabbern«, Ihnen »feuchtkrustige Tempos entwenden und daraus kleine Snacks zubereiten« bzw. »meine Augäpfel … wegschlürfen, weil die sind ja so schön glibberig«.

Jaja, Haas, diese jungen Dinger heutzutage! Und schön jedenfalls, daß Sie endlich rundum versorgt sind: Mädels, die Ihren Rotz essen; Weiber, die Ihre Tränen trinken; und wir, die wir Ihren Scheiß lesen!

Schlabberküsse:

Titanic

 

Peter Gruss!

Sie sind Präsident der Max-Planck-Gesellschaft und, wie wir anläßlich des 150. Geburtstags des alten Max in der Berliner Zeitung lesen durften, daselbst auch heimlicher Gleichstellungsbeauftragter: »Im Vergleich zu anderen Forschungseinrichtungen ­haben wir die meisten Wissenschaft­lerinnen. Gerade bei den höheren ­Positionen arbeiten wir aber hart daran, den Anteil weiter zu erhöhen. Bei den Direktoren gelingt das allmählich. So konnte der Frauenanteil von sechs Prozent im Jahr 2007 in diesem Jahr auf«, wir halten den Atem an, Trommelwirbel, »immerhin 6,7 Prozent gesteigert werden.«

Top. Bzw. bei 267 Direktoren in der Max-Planck-Gesellschaft bedeutet das nach Adam Riese (und vermutlich auch Max Planck): Sie haben zwei Frauen eingestellt! Wenn das kein Quantensprung ist! Also, streng nach Planck, die kleinstmögliche Änderung, die die Gesetze der Quantenphysik erlauben.

Aber wem sagen wir das?

Gruss,

Titanic

 

Herbert Riehl-Heyse!

Seit fünf Jahren sind Sie jetzt tot. Aus diesem Anlaß hat Ihr Arbeit­geber, die Süddeutsche Zeitung, auf 480 Seiten Ihre schönsten, besten und wahrsten Seite-Drei-Reportagen von 1972 bis 2003 nachgedruckt. Und wir haben sie schön brav nachgelesen. Und waren auch 470 Seiten lang gerührt – bis wir zum Nachwort kamen: »Was bleibt… Der Kampf gegen die Vergänglichkeit«. Worin Sie u.a. darauf zu sprechen kommen, daß »eine große Zahl von Fernseh-Konsumenten Verona Feldbusch für berühmter hält als den Papst, weil die auch viel besser aussieht als der und viel öfter in Bild gewürdigt wird«. Was Sie zu dem »großen Trost« führt, daß trotzdem »Millionen junger Menschen in allen Teilen der Welt immer wieder zu diesem alten kranken Mann pilgern, dessen Gebete sie kaum noch akustisch verstehen können« – okay, das konnten Sie natürlich damals nicht wissen, daß der gute, alte, kranke Wojtyla in den zwei Jahren, die ihm noch blieben, die immerhin besseraussehende Feldbusch in Sachen Trashpreß-Berichterstattung ­locker ausstechen würde, so daß dem Wojtyla- wie auch jetzt dem Ratzinger-Papst viel mehr angehangen wird als der Verona, auch wenn die Herren tittenmäßig dann doch arg abfallen. So daß man schließlich und endlich den Schluß zu ziehen geneigt ist, daß Sie, im Verein mit der papsttreuen ­Jugend dieser Welt, den Sieg davongetragen haben. Und dazu, lieber Riehl-Heyse, wollten wir Ihnen nun doch – gratulieren!

Mit Gruß nach oben:

Titanic

 

Berlin Verlag!

Für Jonathan Littells Roman »Die Wohlgesinnten« wirbst Du mit einem Zitat des Literaturkritikers Denis Scheck: »Nichts weniger als ein Meisterwerk!« Wenn aber dieser Roman nichts weniger ist als ein Meisterwerk, dann kann er alles mögliche sein, aber eins am allerwenigsten: ein Meisterwerk. Und das sollen die ­Leser als Lob verstehen? Und zu ­einem Roman greifen, der nichts ­weniger ist als ein Meisterwerk?

Diese Kundenfangtechnik ist wahrlich nichts weniger als eine Mei­­­­ster­leistung Deiner Werbeabteilung. Wir sind sehr gespannt, wie lange es noch dauern wird, bis Du merkst, welche Panne Dir da unterlaufen ist.

Mit nichtsdestoweniger schönen Grüßen:

Titanic

 

Lieber Oliver Kahn!

Nun standen Sie ja mehr als zwei Jahrzehnte auf oder etwas vor einer knapp sieben ein Drittel Meter langen Linie und versuchten zu verhindern, daß Bälle diese passierten. Geschah dies trotz Ihrer Bemühungen häufiger, wurden Sie sauer und schimpften, gelangten wenig Bälle in den Bereich jenseits der Linie, durften Sie von Zeit zu Zeit Metallgefäße verschiedener Art und Größe hochheben und sich freuen.

Manch anderer Werktätige fällt ja mit dem Eintritt in die Rente in eine tiefe Sinnkrise, weil ihm alles plötzlich nutz- und belanglos erscheint. Bei Ihnen hingegen ändert sich auf der Sinnebene eher wenig – und dazu wie zu allem anderen gratuliert recht herzlich:

Titanic

 

Mark Sporrle und Lutz Schumacher!

Ihr seid Zeitungsschreiber und als solche angebl. viel mit der Bahn unter­wegs; und Ihr habt Euch gedacht, mal ein lustiges Büchlein mit lustigen ­Vorurteilen über die Bahn auf den Markt zu werfen. Das Traktat heißt »Senk ju vor träwelling«, verkauft sich wie alles glänzend Nötige wie ge­schnitten Brot und handelt von, uuuaaah, Zugverspätungen, schluffiger Bedienung im Bord­restaurant und aller­hand anderen unerhörten Originali­täten, aufgeschrieben von Leuten, die nie Bahn fahren, für Leute, die nie Bahn fahren. Ein kleiner Tip fürs Folge­werk: Beamte gelten als nicht so sehr fleißig, Fußballer reden oft dummes Zeug, und Männer sind ja ganz anders wie Frauen. Und umgekehrt!

Thank you for listening:

Titanic

 

Steckt, Partei Einiges Rußland,

in Deinem Namen so etwas wie Phantomschmerz? Fehlen Dir Armenien, Aserbeidschan, Weißrußland, Georgien usw.? Oder wieso heißt Du nicht Partei Ganzes Rußland?

Hahaha!

Titanic

 

Abermals, Eva Herman!

Statt endlich hinter einem Berg schmutziger Wäsche oder einem Stapel Kochtöpfen zu verschwinden, behelligen Sie die Welt lieber mit einem neuen Buch (»Das Überlebensprinzip – Warum wir die Schöpfung nicht täuschen können«), wobei Sie sich diesmal u. a. die Kinderkrippen heraus­gepickt haben: »Für ein Huhn in der Lege­batterie gibt es inzwischen – zum Glück – eine Mindestvorschrift des Platzangebotes«, auf deutsch: eine Vorschrift, das Mindestplatzangebot betreffend. »Für unsere Kinder exi­stieren keine derartigen Vorgaben.« Und damit, Herman, haben Sie endlich einmal recht: Gacker- und Krampf­hennen kriegen bei uns wirklich zu­­­­­viel Aufmerksamkeit!

Put put put!

Titanic

 

Und, »FAZ«!

»Daß die Arbeitskosten in Deutschland im vergangenen Jahr nur um ein Prozent gestiegen sind, ist eine gute Nachricht. Sie bedeutet keineswegs, daß das Land zu einer Ausbeuterrepublik der geknechteten Billigarbeiter wird. Sie bedeutet vielmehr, daß die Unternehmen im inter­nationalen Wettbewerb wieder besser mithalten können.«

Würden diese Sätze, angesichts von grassierender Zeit-, Leih- und unbezahlter Praktikumsarbeit, nicht auch Sinn haben, wenn man die Wörtchen »keineswegs« und »vielmehr« wegließe? Bzw. überhaupt erst dann?

Doch, doch.

Deine geknechteten Billigarbeiter von der

Titanic

 

Wolfram Weimer!

Da haben Sie in Ihrem »Magazin für politische Kultur« namens Cicero ja mal eine total provokante Forderung aufgestellt: »Raus aus Afghanistan!« Zwar waren Ihnen die Kriegsopfer nach eigener Aussage bisher ziemlich wurscht (»Wir haben uns an einen ›realpolitischen‹ Blick auf ­Militäreinsätze gewöhnt«), aber jetzt haben Sie gegen den Krieg viel bessere Argumente als ein paar tote Museln: »Ökonomisch betrachtet ist dieser Krieg für den Westen ein katastrophales Sub-Prime-­In­vestment … Man kann zwar den Standpunkt vertreten, daß postmoderne Kolonien durchaus dem eigenen Interesse dienen könnten. Nur – dann sollten sie ökonomisch wenigstens attraktiver sein als diese Sand-, Stein- und Bergwüste.« Will sagen: Das Töten und Sterben geht schon in Ordnung, aber es muß sich halt lohnen.

Was Sub-Prime-Köpfe wie Sie halt so unter politischer Kultur verstehen, gell!

Ihre Kulturkritiker von

Titanic

 

Guido Westerwelle!

»Ich bin lebensbejahend und fröhlich. ›J’aime la vie, je suis libéral‹ – in diesem Satz fühle ich mich aufge­hoben und wiedergegeben.« Dennoch haben Sie sich öffentlich Gedanken über Ihr mögliches Hinscheiden gemacht; und so durften wir also lesen, daß Sie an Ihrem letzten Tag keine Oper mehr hören wollen (»Zeitverschwendung«), statt dessen aber Ihre »Bildersammlung« betrachten und vor allem noch einmal ordentlich ­relaxen würden: »Die ›blaue Stunde‹ gegen 17 Uhr genieße ich besonders, das ist der Übergang vom Tag zum Abend, es gibt keine schönere Stunde. Eine solche Auszeit echter Entspannung, ohne Pflichten, nur für Gelassenheit und Muße ist etwas Großes« – aaaber, Westerwelle: Was ist denn mit dem Standort Deutschland? Wo kommen wir denn da hin, wenn alle um fünf den Hammer fallen lassen? Und statt Rente mit 95 vor dem Hinschied noch zu, igitt, Mußestunden kommen?

Sie sind doch kein Gewerkschaftsbonze!

Lebensbejahend, ja fröhlich:

Titanic

 

Heizkörperableser!

Wir lassen Euch zu unmöglichen Zeiten in unsere Wohnungen, wo Ihr ungefragt verkündet, früher Marineflieger gewesen zu sein, und Euch über den aktuellen Bildungsnotstand beschwert. Dann laßt Ihr Zählröhrchen auf den Badezimmerkacheln zerklirren (»Ist nicht giftig, der Gestank geht gleich weg«), und während wir ein Beruhigungszigarettchen rauchen, steckt Ihr Euch pestilenzartig duftende Zigarillos an – wär’s, Heizungsableser, möglich, daß Ihr einfach mal nur ablest? Ohne Dreck, Mief und Beschiß? Sonst kommen wir samstags in aller Herrgottsfrühe zu Euch und lesen ebenfalls; nämlich Euch die Leviten!

Heiße Grüße:

Titanic

 

Manfred Jansen!

Ausgerechnet Sie als Wessi haben sich vor ein paar Jahren alle Rechte an der Marke »DDR« sichern lassen und müssen jetzt durch die Gerichte tingeln, um Ihr Recht auf exklusive »DDR«-Geschäfte zu verteidigen. Dabei ist der Fall doch eigentlich klar wie Rotkäppchen-Sekt: Die DDR ist natürlich Volkseigentum.

Ihre Ostalgiker von

Titanic

 

Heda, George W. Bush!

»In einer Welt, in der viele den Wert des Lebens mißachten, benötigen wir Ihre Botschaft«, nämlich die des Ratzipapstes, »daß jedes Leben heilig ist.« Abgesehen von den tendenziell ­lebens­unwerten Leben natürlich, die Ihre Klassen- und Rassen­justiz der Todesspritze überantwortet.

It’s the think-think, stupid!

Titanic

 

Hey, Gebrüder Ochsenknecht!

Ja, Ihr seid gemeint: Jimi Blue (16) & Wilson Gonzales (18)! Reicht es denn nicht, daß Ihr als »Wilde Kerle«-Darsteller und neuerdings auch Rap- bzw. Rocksänger-Imitatoren allen achtjährigen Mädchen im Lande den Kopf verdreht? Müßt Ihr denn, wie in der Nacht zum ersten Mai geschehen und der Süddeutschen zu entnehmen, testosteronbefeuert bis zum Aller­äußersten gehen? Da habt Ihr offenbar in der Münchener Innenstadt »zusammen mit mehreren Kumpels Fahrräder umgeworfen, Blumenbeete zerstört und eine Telefonzelle demoliert«, wobei Jimi Blue sogar den Telefonhörer aus der Zelle gerissen haben soll! Das ist ja unglaublich… unglaublich süüüß! Da habt Ihr Euch ja aufgeführt wie sehr, sehr kleine Elefantenbabys im Eisenwarenladen!

Mehr davon wünscht sich und Euch:

Titanic

 

Alice Schmidt sel.!

Daß Ihr Mann, Arno Schmidt nämlich, in allerbester aufklärerischer Tradition nie ein Blatt vor den Mund genommen und auch die sog. unbequemen Wahrheiten frei ausgesprochen hat, ist bekannt. Aber auch Sie brauchen sich hinter »The Great Nödl« – so Ihr Kosename für IHN, was wir jetzt lieber nicht etymtheoretisch-psychoanalytisch auseinandernehmen wollen – keinesfalls zu verstecken, wie man dem neuen Band der Werkausgabe, den »Briefen an Kollegen«, entnehmen kann. Ihre darin aufgenommene Absage einer Besuchsanfrage des DDR-Schriftstellers Rainer Kirsch aus dem Jahre 1975 liest sich nämlich so:

»Ich muß zur Zeit alle Besuchswünsche ablehnen, weil er schwer herzleidend ist und absoluter Ruhe und Zurückgezogenheit bedarf, um seine schriftstellerischen Aufgaben noch bewältigen zu können. Und das Sprechen mit einem Kollegen – zumal aus einem ganz anderen Land – wäre allzuviel Aufregung für ihn, die bei seinem so prekären Gesundheitszustand vermieden werden sollte.«

»Aus einem ganz anderen Land« – ja wenn doch alle Ihre, Frau Schmidt, Weitsicht besessen hätten, die weit über die Gartenhecke in Bargfeld hinausreichte, vielleicht wäre dann aus der Bundes- doch noch eine Gelehrtenrepublik geworden!

Ganz liebe Grüße ins Elysium, auch an den Herrn Gemahl!

Titanic

 

Retros!

Ein für allemal: Wir mögen keine Musik der »80ger« (Google: 53 600 Tref­fer), verabscheuen die der »80iger« (258 000 Treffer), und Schaum vor dem Mund kriegen wir bei Musik der »80ziger« (41 600 Treffer). Ähnliches gilt für die Mode der »70ziger« (26 600), Filme der »50iger« (108 000) und die Brunzdummheit der »90iger« (91 200 Treffer). Über das Jahrhundert kommen wir also auf weit über eine Million Andersbegabter, die zur Üb­ung jetzt zigigmal schreiben dürfen: »Am schönsten ist es in den Null­zigern.«

Dafür verbürgt sich

Titanic

 

Gary Merrett, c/o Uni Konstanz!

Als Student der Politik bzw. »Politikwissenschaftler« haben Sie sich angesehen, was deutsche Schüler alles lernen müssen, und also in der Welt unter der Überschrift »Schulbücher hetzen gegen die Marktwirtschaft« diverse Fibeln besprochen, darunter »Diercke Erdkunde 9«. Und fanden da Haarsträubendes: etwa die Unterstellung, die Marktwirtschaft führe in der Dritten Welt u.a. zu Kinderarmut. Durch Passagen wie diese könnten Schüler den Eindruck gewinnen, Aufgabe des Staates sei es, »derartigen Instabilitäten entgegenzusteuern und das System zu stabilisieren« – Ansichten, von denen Sie nicht glauben, daß sie »in ein Schulbuch gehören«. Denn: »Sie wollen mit Sicherheit genausowenig wie die ›Gutmensch-Autoren‹ von Diercke, daß die Kinder den ganzen Tag schuften müssen, anstatt zu spielen oder zu lernen. Doch die ökonomische Realität macht es zur absoluten Notwendigkeit, daß die Kinder mit anpacken.«

Wir sehen die Notwendigkeit, Gary­boy! Denn als man hierzulande Kinder noch zur Vierzehn-Stunden-Schicht in die Kohlengruben schickte, waren sie wenigstens vor dem argen Schicksal bewahrt, als schon besonders erdferkelige Studenten der Politwissenschaften einen Mentalonanierklub namens »Libertäre Liste« (»Steuern sind Diebstahl!«) an der Uni Konstanz anzuführen, Kinderarbeit »unentbehrlich« zu finden und als schon mit zarten vierundzwanzig Jahren komplett entmenschte Speichellecker sich der Springer-Presse anzudienen.

Wo Sie, Merrett, auch absolut notwendig hingehören.

Selbstverständlich grußlos

Titanic

 

Unbekannter Nachrichtensprecher!

Ach wie schön wäre es, wenn tatsächlich mal jemand auf die Idee käme, daß Neoliberalismus eine gefährliche Form des Extremismus ist, und also das von Ihnen proklamierte »FDP-Verbotsverfahren« nicht nur ein Versprecher, sondern durchaus gerechtfertigt und unbedingt notwendig für das Wohl unserer Gesellschaft wäre.

Lassen Sie uns einfach noch ein bißchen träumen!

Friede den Hütten:

Titanic

 

Lieber Alexander Kluge!

Sie wollen also partout Karl Marxens »Kapital« verfilmen, und zwar alle drei Bände – und was Sergej ­Eisenstein nicht gelungen ist, das wird sich unter Ihrer klugen Regie schon fügen: Wir freuen uns jedenfalls auf die geschliffenen Dialoge zwischen dem absoluten und dem relativen Mehrwert (Bruno Ganz und Ulrich Matthes) oder darauf, wie Nina und Hannelore Hoger als einfache und ­erweiterte Reproduktion sich darum streiten, wer nun die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung erfunden hat! Schade nur, daß Ulrich Mühe tot ist: der wäre schon vom Namen her für die Darstellung des Doppelcharakters der Arbeit bestens geeignet gewesen.

Viel Erfolg wünscht jedenfalls

Titanic

 

Würdet Ihr, liebe Netzpiraten,

uns den Gefallen tun und keine Werke mehr von so feinen Kulturschaffenden wie den Filmemachern Sönke Wortmann, Bernd Eichinger und Fatih Akin, den Schau­spielern Til Schweiger, Renan Demirkan und ­Detlev Buck, Musikgruppen wie ­Tokio Hotel, Monrose und Söhne Mannheims oder den Sängerinnen und Sängern Udo Lindenberg, Reinhard Mey, Peter Maffay, Roger Cicero, ­LaFee, Herbert Grönemeyer, Udo ­Jürgens, Yvonne Catterfeld und René Kollo illegal runterladen? Denn die müssen seit Erfindung des Internets nicht nur bettelarme unwürdige ­Existenzen führen, sondern sind obendrein gezwungen, in peinlichen Anzeigenkampagnen die Kanzlerin anzuheulen, den Schutz ihres geistigen Eigentums zur »Chefsache« zu machen. Und wenn Ihr so weitermacht, glauben diese Herrschaften noch, daß es tatsächlich mehr Leute gäbe, die ihren Kram kaufen würden, als die, die es ohnehin schon tun – wenn denn nur Euch Raubkopierern mit Terrormaßnahmen gekommen würde. Und dann ringen die ihren Geistern am Ende immer neue Eigentümer ab!

Und das wiederum würde gegen das Recht auf geistige Unversehrtheit verstoßen, nämlich das von

Titanic

 

Daß ausgerechnet Du, »Spiegel«,

Dich via Titel­story über »Turbo-Unis« und »Lern­fabriken« beschwerst, nein, das ist schon ein besonders glänzender Fall von Konjunkturrit­tertum mal Prinzipienvergessenheit; denn Du und Deine neoliberale Wettbewerbsweltkriegspropaganda habt uns die ganze kriminelle Scheiße doch eingebrockt, nicht wahr!

Wenn Du’s noch könntest, dann schämtest Du Dich jetzt.

Titanic

 

Howard Carpendale!

Die gesellschaftliche Schere klafft immer weiter auseinander, die Armen werden ärmer, die Reichen reicher, und wenn in China ein Sack Reis umfällt, knallt’s auf den Straßen von Haiti. Ganz klar, daß die Menschen dagegen auf die Straße gehen. Revolution ist das Gebot der Stunde!

Und was machen, Carpendale, Sie? Ersticken die Proteste im Keim. Wie zum Beispiel am 30. April im Berliner Mauerpark. Eigentlich sollte dort, wie jedes Jahr, mit machtvollen Protestaktionen der 1. Mai eingeläutet werden. Doch es passierte nichts, und schuld waren – Sie! In der Max-Schmeling-Halle gaben Sie ein Konzert Ihrer Comeback-Tour. Und weil diese Halle sehr groß ist, fluteten Ihre Fans nach dem Konzert geradezu den benachbarten Mauerpark – und sich mit ­denen zu prügeln macht keinen Spaß, denn die können eine Menge ein­stecken. Howard-Carpendale-Musik zum Beispiel!

Treten Sie derart deeskalativ dann auch beim nächsten G8-Gipfel auf? Und wo waren Sie eigentlich, als es in Hamburg am 1. Mai so richtig geknallt hat? Beim Friseur?

Na dann bis bald und hello again!

Titanic

 

Gina-Lisa Lohfink!

Ob Sie bei Erscheinen dieser TITANIC überhaupt noch jemand kennt, ist zu bezweifeln, aber falls doch, würden wir gern etwas richtigstellen. Sie sagten: »Entweder man liebt mich oder man haßt mich, dazwischen gibt es nichts.« Dazwischen gibt es nämlich eine ganze Menge. Nämlich uns. Und noch viele andere Leute, die sich nicht das allerkleinste Böhnchen für Sie interessieren.

Addio!

Titanic

 

Sie, Daniel Craig,

haben mit einer kühlen, ernsten und klugen Darstellung in dem dann ja gar nicht mal ganz üblen Film ­»Casino Royale« dazu beigetragen, die James Bond-Reihe noch ein wenig am Leben zu halten, und mithin bewiesen, daß Sie einen überzeugenden und durchsetzungsfähigen Menschen mimen können. Nun unsere Bitte: Könnten Sie diese Fähigkeiten nicht womöglich einsetzen, um unsere Medienerzeugnisse dazu zu bringen, nicht über jeden Drehort Ihres neuen »Bond-Streifens« und dort angeblich vorgefallene Dinge zu berichten wie sonst nur über die US-Vorwahlen? Also beispielsweise Spiegel Online-Redakteuren die Tippfinger brechen oder ZDF-Reporterinnen um den Restverstand charmieren? Und, wenn Sie schon dabei sind, die für die US-Vorwahlberichterstattung Zuständigen gleich auch noch kaltstellen?

Das wäre das nötige quantum of solace für

Titanic

 

Daß Sie, Ben Becker,

uns allen die Bibel näherbringen wollen und sie deshalb als »gesprochene Symphonie« auf diejenigen Bühnen Deutschlands befördern, die sich nicht rechtzeitig gegen »Thriller, Sex & Crime im saftigen Lutherdeutsch« (Website) gewehrt haben: wissen wir ja schon. Aber: Wie müssen wir uns die Begleitung durch das Filmorchester Babelsberg vorstellen? Ist das mehr sündig oder mehr sprachverwirrend? Und welcher Ihrer Agenten hat Ihnen empfohlen, dazu auch noch eine »Zero Tolerance Band« anzuheuern – Joachim Meisner?
Frägt Sie Ihre

Titanic

 

Andreas Petzold!

Zu den wichtigsten Grundsätzen beim Verfassen eines Stern-Editorials gehört seit jeher der Leitsatz: »Du sollst nicht mit Kohldampf schreiben, sondern vorher erst mal zum Spachteln in die Kantine!« Diese Maxime gilt selbst dann, wenn man Grund zum Feiern hat, wie Sie etwa die Wahlergebnisse in Hamburg: »Noch sind es nur ein Stück Papier und guter Wille, die die schwarz-grüne Koa­lition in Hamburg tragen. Deswegen darf man nicht zu früh jubeln.« So sehr wir Ihren Ärger verstehen, daß Sie als vorbildlich unabhängiger ­Journalist nicht sofort die je neueste ­Opportunistenhochzeit bejubeln dürfen, so sehr möchten wir Sie warnen, obige Maxime zu ignorieren und noch vor dem Brunch zur Feder zu greifen. Denn sonst läßt man sich nahezu jeden beliebigen Politeintopf für ein Leibgericht vorsetzen: »Die Zutaten ergänzen sich zu einem perfekten Menü: … Wirtschaftswachstum mit viel Ökologie abgeschmeckt, innere Sicherheit garniert mit Ausländer­integration« – und sehen Sie, Petzold, schon hat der Hunger Sie reingelegt! Denn in Wahrheit servieren Ihnen die Hamburger Schummelköche angebranntes Schwarzwild in brauner Soße vom Vortag, mit grünen Tomaten als Deko. Und als Sie’s dann zu Hause nachkochen wollten, wurde es Metaphernsalat mit einem kräftigen Schuß Plemplem (»Das Pluszeichen spielte die entscheidende Rolle, nicht das Dividieren«).
Ißt dann doch lieber zu Hause:

Titanic

 

Sie nun, Amtsrichterin Marion Bugge,

ließen zwei als Punks gewandete Männer, die im Januar Schüler der Jüdischen Oberschule in Berlin-Mitte antisemitisch beschimpft, beleidigt und ihre Hunde auf sie gehetzt hat­ten, mit einer Bewährungsstrafe und ­einem Freispruch davonkommen; schließlich handle es sich nicht um einen typischen antisemitischen Angriff von Rechtsextremen, sondern um eine »entartete Streitsituation«.
Jaja, Entartung allerorten – wahrscheinlich hatten die Judenbengel ihre Negermusik zu laut gestellt!
Heil Hitler:

Titanic

 

Wir, Christian Franke,

gratulieren Ihnen sehr zu der guten Geschäftsidee, gegenüber dem Trierer Dom »Christis Eis« zu vertreiben. Welche Sorten gehen denn da besonders gut: Himmelbeer? Golgathella? Altartufo? Amarena-Kirche?
Amaretto uns von dem Bösen!

Titanic

 

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt