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Graf Hase
Ganz Deutschland spricht über die Netflix-Skandaldoku "Tiger King". Ganz Deutschland? Nein. Ein Mann aus der Eifel trotzt dem Trend, denn er muss sich um seine Hasen kümmern. Zwischen Skandalen, Intrigen und Kaninchenkot nimmt der Frührentner sich Zeit für ein Gespräch. Ein Investigativ-Besuch beim wohl skrupellosesten Rammlerzüchter nördlich des Äquators.
In Dudeldorf (Eifelkreis Bitburg-Prüm) ist Klaus Stopfer der König. Keiner kann ihm das Wasser reichen. Keiner hat hier mehr Kaninchen als er. "Und Hasen", ergänzt der 56jährige Frührentner stolz. Denn selbstverständlich hat Stopfer, von seinen Fans Köttel-Klaus genannt, nicht "nur so 08/15-Zwergkaninchen", sondern auch große Deutsche Rammler. "Wenn die mal kräftig zubeißen, dann ist die Fingerkuppe aber ab", prahlt der schnurrbärtige Sandalenträger, während er uns durch sein mit Glasvitrinen und Ledersesseln eingerichtetes Wohnzimmer auf seine Terrasse führt. Hinter dem von außen unscheinbar wirkenden Reihenhaus tut sich eine neue Welt auf; eine Welt aus Käfigen, Ausläufen und Kleintierstreu. Hier lauern die beißwütigsten Geschöpfe der südlichen Eifel. Vorsicht sei angebracht, so der Langohren-Lord. Als wir von der Terrasse in das treten, was mindere Leute als Garten nutzen würden, streift eine sanfte Brise die in der Sonne glänzende Gitterlandschaft. Ein Hauch von Freiheit liegt in der Bitburg-Prümer Frühlingsluft.
Seit Jahrzehnten beschäftigt sich der gebürtige Dingdorfer mit den flauschigen Geschöpfen, die in seiner Jugend seine einzige Gesellschaft waren. Er sei ein besonderes Kind gewesen, enthüllt Stopfer, während wir es uns zwischen seinem Futterschuppen und einem Stapel unbenutzter Käfige gemütlich machen, "sensibel, nachdenklich und tierlieb". Inzwischen, nach vier Klagen wegen wiederholten Falschparkens und zwei Scheidungen, hat sich der gelernte Schlachter und fünffache Witwer ein richtiges Imperium aufgebaut. Jeden Tag kommen einige Erwachsene und viele Kinder vorbei, um sich für einen kleinen Obolus seine Kaninchenbabys – und Hasen – anzuschauen. "Man muss sich ja etwas zur spärlichen Rente dazuverdienen", zwinkert der selbst ernannte "Graf Hase". Wie er sich damit gleich drei Bugattis leisten kann, die den Wendehammer blockieren, enthüllt er nicht.
Schon zweimal sei ihm das Bauamt wegen des unangemeldeten Kleintierzoos auf die Pelle gerückt, aber die habe er mit seinem Charme und seiner Softair-Pistole verjagt, erinnert er sich, während er seine Unterhose in Kaninchenoptik – "natürlich Kunstfell" – zurechtzupft. "Beim nächsten Mal hole ich das Luftgewehr raus. Das hat die Polizei bei der letzten Durchsuchung nicht gefunden. Der Keller ist nämlich hinter einer versteckten Tür." Seine Augen glitzern abwesend. Denkt er gerade an seine treue Facebook-Fangemeinde? Oder an die eingefrorenen Kohlrouladen, die seine Mutter ihm am Wochenende vorbereitet hat? Seine Hand bewegt sich weiter streichelnd über die Leiber der mümmelnden Kaninchen in seinem Schoß, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Das Karnickel-Leben: auf jeden Fall nichts für Hasenpfoten.
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Nun ist es wohl keine Überraschung, dass ein Hasen-Halodrie von diesem Kaliber kaum ohne Feinde bleiben kann. In seinem eigenen Podcast "Hasers gonna Has" sowie im Dudeldorfer Lokalsender agitiert Stopfer gegen die, die ihm seinen Erfolg nicht gönnen wollen: das Bauamt, das Ordnungsamt, die Finanzbehörde und, überhaupt, die BRD (GmbH). Doch all das ist gar nichts, wenn man den Südeifeler Hasenzuchtverein e.V. in den Blick nimmt, aus dem Klaus Stopfer im "Schandjahr 2008" austrat, nachdem er in einer Kampfabstimmung um den Vorsitz gegen seinen Erzfeind Klaas Schneider verloren hatte. Inzwischen ist der Kaninchen-Kalif Vorsitzender und einziges Mitglied des eigens gegründeten Vereins für Hasenzucht Südeifel e.V.
Unsere Recherche geht weiter: Im nur einige Kilometer von Dudeldorf entfernt gelegenen Dockendorf zeichnet ebenjener Klaas Schneider weiter ein ganz anderes Bild von Köttel-Klaus, der laut Schneider gar nicht so ein großer Tierfreund ist, wie er der Öffentlichkeit weismachen will. In den 80ern seien sie noch enge Rammlerfreunde gewesen, doch inzwischen hätten sich Klaas und Klaus entfremdet, so Klaas, der von seinen Unterstützern Hasen-Klaas genannt wird, bei einem exklusiven Gespräch. "Ich konnte seine Praktiken einfach nicht mehr unterstützen." Köttel-Klaus und Hasen-Klaas, die Montagues und Capulets des Kreises Bitburg-Prüm. Was genau zwischen den beiden schief lief, will auch Klaas Schneider nicht sagen, doch so viel lässt er durchblicken, während er seine Porzellan-Karnickel sortiert: Involviert waren mindestens ein halbes Pfund Schnupftabak, ein öffentlicher Facebook-Streit und gleich zwei verschwundene Ex-Frauen (eine pro Rammlermann). In der Dockendorfer Ortskneipe, die Klaas Schneider mit seinen Einnahmen aus dem Hasenhandel querfinanziert, hat Köttel-Klaus zumindest Hausverbot. Genauso ist es in der Dudeldorfer Dorfschenke: Wenn sich Hasen-Klaas hier blicken lässt, macht Graf Hase kurzen Prozess, so steht es auf der offiziellen Facebookseite des Dudeldorfer Hasenhegemons.
Viele Fragen bleiben bis auf Weiteres ungeklärt: Was genau geschah zwischen Köttel-Klaus und Hasen-Klaas? Woher hat Köttel-Klaus sein Vermögen? Und wie tragen sich Unterhosen aus Kaninchenfell? Die neueste Folge "Hasers gonna Has" beendet Köttel-Klaus jedenfalls mit einer Kampfansage. Nachdem seine Versuche gescheitert sind, Vorsitzender des Südeifeler Hasenzuchtvereins sowie Bürgermeister von Dudeldorf (2017) zu werden, wirft der Kaninchen-König seinen machthungrigen Blick jetzt auf Regionen außerhalb des Dudeldorf-Dockendorf-Dingdorfer Bermuda-Dreiecks. "Mir wird die Welt zu Füßen liegen", sagt er uns und schreibt es in seinen Whatsapp-Status. Was genau das heißt, weiß niemand, doch eins ist sicher: Malu Dreyer kann sich warm anziehen.
Antonia Stille