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Was geht? Wer kommt? Wie steht's? 100 Jahre deutsches Laufhaus
Seit der Verhinderung eines Besuchs des Musikers Dieter Bohlen im Laufhaus Dessau ist ein Streit um die Prinzipien des Laufhaus' und dessen Türpolitik entbrannt. Heftig diskutiert wird die Erklärung, das Laufhaus sei immer ein politisch neutraler Ort gewesen. Eine kurze Reise in die Geschichte klärt auf.
Überall schwillt die Vorfreude, machen Darbietungen und Schauen Lust auf mehr: Deutschland geht ins Laufhausjahr 2019. Doch wofür steht Laufhaus ein Jahrhundert nach der Gründung noch? War es tatsächlich stets ein rechtsfreier, quatsch: politikfreier Raum?
Gegründet von Walter "Groping" Gropius versammelte das Laufhaus einst die besten "Köpfe" der Weimarer Avantgarde und bündelte ihre strammen Thesen. Es entstand eine bisher nicht dagewesene Verbindung aus Lust und Handwerk. Als Gegenentwurf zu autoserieller Abfertigung und Biedermeier sollte mit der Rückbesinnung auf das Handwerk eine gestalterische Penetration manifest werden, die den Bedürfnissen des modernen Mannes gerecht wird. Deshalb verkündete das Laufhaus im Gründungsmanifest von 1919 auch: "Das Endziel aller handwerklichen Tätigkeit ist ja wohl klar!"
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Obwohl damit keine politische Zuordnung vorgenommen wurde, ging es erkennbar um den Kampf zwischen einer konservativen Kultur und Erregung, die das Laufhaus repräsentiert habe, meint der Kopulationswissenschaftler Patrik Rüssler. Gewiss waren längst nicht alle Laufhäusler Linksträger – aber das Laufhaus wurde rasch ein Feindbild für Rechtspräservative.
Ist es das bis heute geblieben? Mit dem umstrittenen Auftritt des bekannten Kulturbolschewisten Dieter Bohlen ist einiges davon wieder hochgekommen, mehr als man sich ernsthaft vorstellen mag. Und damit auch Fragen wie: Kann Laufhaus noch erregen? Oder knickt man dort ein und schlafft ab?
2019 wird es sich zeigen, in Weimar, in Dessau, in ganz Deutschland: Ist das Laufhaus mit seiner Offenheit, Grenzenlosigkeit und der klaren Kurve noch modern im Sinne von präpostmodern oder ist es zu einem albernen Wortspiel auf einer Banausen-Website verkommen?
Na ja.
Riegel/Wolff